Die sinnlosen Kriege meines Großvaters

 Am 4 November 1909 wurde er zum Militärdienst eingezogen, in dem  83° Infanterieregiment  "VENEZIA" in Pistoia bis zum  12 September 1911. Zwei Monaten nach der Entlassung am 18 November 1911 wurde er wieder eingezogen, und nach Tripolis in Libyen entsandt. Der Krieg zwischen Italien und der Türkei war soeben ausgebrochen.  Diesmal mit dem  50° Infanterieregiment  "Parma". Er kämpfte in der Schlacht von der  Zanzur Oase (8 Juni 1912), und in der Eroberung von der Stadt von Misurata (8 Juli 1912). Er kehrte am 4 August 1912 nach Turin zurück. Zu dieser Zeit war der Krieg fast zu Ende.

Für den zweiundzwanzigjährigen Schreiner aus Turin war das Abenteuer in Libyen sicher  ein Erlebniss von großer Intensität, die Wüste unter dem Licht  fremder Sternen, der Nachtwind in den Oasen in der Weitläufigkeit des afrikanischen Himmels, das ferne,  unbekannte Land. Aber der libysche Feldzug hatte auch Schmerzen und Entbehrungen mit sich gebracht,  die unerträgliche Hitze in den groben Feldzelten, der unstillbare Durst, die Angst vor dem Tode, der in den Dünen auf der Lauer lag.

Der finstere erste Weltkrieg stand nun unmittelbar bevor.

Er wurde am 4 Augost 1914 eingezogen, in Oktober entlassen, am  11 May 1915 wieder eingezogen, vorübergehend bis zum zweiten Oktober 1915 aus dem Dienst entlassen, am dem Tag, als er die kämpfenden Truppen, das 50° Infanterieregiment "Parma", erreichte, das auf dem Lana-Berg in Cadore stationiert war.

Was sah er dort?

Wahnsinnige Generäle und umbarmherzige Offiziere, die auf  ewigen Ruhm gierig waren, die stumme Verzweiflung in den Augen der Soldanten vor dem Sturm auf die feindlichen Linien, Blut und zerstörtes Leben überall. Am zweiten Oktober  1915 am  Lana-Berg, als er , vom Schlachtnebel umhüllt, mit dem Gewehr langsam heranstürmte, und seine Regimentkameraden, von Kugeln getroffen, neben ihm fielen, sah er ein, was der Krieg bedeutet, wurde er der Absurdität aller Kriege bewusst, und in seinem Herzen bannte sich der Wunsch nach menschlicher Verbrüderung, nach Frieden, nach Gerechtigkeit.   

Aber der Krieg war nicht zu Ende, er dauerte noch viele lange Jahre, aber mein Großvater konnte unversehrt zurückkommen.

Aber sein Leben konnte nicht mehr wie früher sein, nach der absurden Erfahrung in den Schützengräben des Grossen Krieges.

Er konnte nicht mehr tatenlos und stumm bleiben, nach den vielen trügerischen Versprechungen, nach den sozialen Ungerechtigkeiten, nach dem Massaker von vielen Soldaten zur Bereicherung einer winzigen Minderheit.


bertolino.pietro@libero.it

50° Infanterieregiment "Parma"

In April dieses Jahres bin ich aus reinem Zufall am Schloss Buchenstein am Fuß des Lana Bergs vorbeigefahren. Von diesem Ort ging das 50° Infanterieregiment "Parma" an jenem fernen 22 Oktober 1915 zum Angriff auf die feindlichen Linien über. Ich wollte einen Augenblick halten  und mein PKW wurde kurz vor dem Schloss von einem Stein auf der Landstrasse schwer beschädigt, und konnte nicht mehr gestartet werden.

Während ich auf Hilfe wartete, horchte ich zu, und der Abendwind flüsterte mir die Stimmen der Soldaten zu, die seit damals an dem Lana Berg umherirren, auf der Suche nach Frieden, auf der Suche nach Gerechtigkeit, nachdem sie sinnlos verheizt wurden.

Nie wieder Krieg, nie wieder tote Soldaten auf einem Schlachtfeld, nie wieder lächelnde Helden, nie wieder Gewalt und Blut, für nichts vergossen.. 

Die Soldaten des  50° Infanterieregiments sind mit mir ins Tal hinuntergestiegen, und jetzt stehen alle an meiner Seite.