:Intro:

Pygmalion
Elsbeth Hilpert, Shaw's Pygmalion and Goethe 's Faust
Cindarella ( a fairly tale )
Feminist Revolt
Shaw, George Bernard (1856-1950)
Pygmalion and Cindarella : A comparison
The modern Pygmalion: the cloning professor
Cicerone e Sandor Marai

 


Cicerone e Sandor Marai




Auszug aus der Facharbeit von Anita Meßli (Klasse 13 des Camerloher-Gymnasiums Freising)

(Freundlicherweise für das Comenius-Projekt zur Verfügung gestellt!)


           Thema: De amicitia: Ein Vergleich zwischen Cicero und Sandor Marai

(The Importance of friendship in ancient times, today and in the future!)


Sandor Marai, stammend aus einer bürgerlichen geadelten Familie, wurde am
10. 04. 1900 in Kaschau in Ungarn geboren und studierte im Leipziger Institut für
Zeitungskunde. Er zog nach Frankfurt und reiste 1923 als Schriftsteller für die
Frankfurter Zeitung nach Paris. Ende der Zwanziger Jahre ging er nach Ungarn
zurück. Die gesellschaftlichen und politischen Probleme veranlassten ihn '48
nach Neapel zu reisen, '52 nach New York, '68 nach Salerno und '79 nach San
Diego, wo er sich 1989 das Leben nahm. Er verbot seine Werke zu veröffent-
lichen und wurde in seinem Heimatland zur persona non grata erklärt.36


Er schrieb Lyrik, Prosa, Dramen und publizistische - essayistische Werke:
1927 „ Auf den Spuren der Götter"
1933 „ Die Schulen der Armen"
1934 „ Bekenntnisse eines Bürgers" ( Autobiographie : erster großer
Erfolg)
1938,. Das Vermächtnis der Eszter

1942,, Die Glut"
„ Himmel und Erden"
1971 veröffentlichte er das schon 1943 begonnene Tagebuch 3

Sandor Marais Buch „ Die Glut" wurde 1942 verfasst und handelt von dem
Offizierssohn Henrik, der zusammen mit seiner Amme Nina in seinem Schloss in
Ungarn lebt. Seine Frau Krisztina ist vor sechs Jahren gestorben und sein bester
Freund Konrad, den er mit zehn Jahren kennengelernt hat, ist vor 41 Jahren in die
Tropenausgewandert.
Eines Tages bekommt Henrik einen Brief von seinem Jugendfreund und kurze
Zeit später besucht Konrad ihn in seinem Schloss, in welchen sie beide und
Henriks Ehegattin jeden Tag gemeinsame Stunden verbracht haben.
Die ganze Nacht reden die beiden Freunde über die Vergangenheit und über ihre
Freundschaft. Endlich findet Henrik die lang ersehnten Antworten aufseine
Fragen, warum sein Freund Konrad Hals über Kopf in die Tropen gegangen ist,
was seine Frau Krisztina für eine Rolle dabei gespielt hat und was sie für Konrad
bedeutet hat.

Beim Vergleich dieser beiden Werken ist auffällig, dass zahlreiche Parallelen zu
finden sind.
Beide Autoren schrieben ihre Bücher in ihrer zweiten Lebenshälfte. Obwohl es
den Anschein hat, dass es sich um Dialoge einerseits zwischen Verwandten ( bei
Cicero ) anderseits zwischen Freunden ( bei Marai ) handelt, überwiegt dennoch
bei beiden Werken die Gestaltung eines Monologs der beiden Hauptfiguren. Bei
Cicero ist es Laelius, der seinen beiden Schwiegersöhnen die wahre Freundschaft
ans Herz legt. Bei Sandor Marai ist die Zentralfigur Henrik, der seinem Jugend-
freund nach 41 Jahren seine Auffassung über ihre Freundschaft erzählt. Die
Nebenfiguren, Fannius und Scaevola bei Cicero und bei Marai Konrad, haben die
Aufgaben das Gespräch anzuregen, indem sie mit Äußerungen beziehungsweise
Fragen den Monolog unterbrechen. Die Absicht hierbei ist es, Abwechslung in


das Buch zu bringen, um nicht in Langeweile zu verfallen und nicht eintönig zu
wirken.
Aber nicht nur die Gestältungsidee der beiden Bücher weisen Ähnlichkeiten auf,
sondern auch die Meinungen über die Freundschaft bei Laelius und Henrik sind
ähnlich.
Gleich zu Beginn von Ciceros Werk „Laelius, de amicitia" schätzt Laelius die
Freundschaft als das Wichtigste auf der Welt „[...] ut amicitiam omnibus rebus
humanis anteponatis." Sandor Marai schließt sich dieser Auffassung an ~Nichts
ist so zart wie eine solche Beziehung. Alles, was das Leben später gibt, feine oder
rohe Sehnsüchte, starke Gefühle, die endgültigen Bindungen der Leidenschaft,
alles ist gröber, unmenschlicher." / Die Freundschaft, [...], ist die edelste Be-
ziehung, die es zwischen muttergeborenen Lebewesen geben kann."~ Beide
begründen dies mit dem Streben der Menschen nach Freundschaft. Denn welcher
Mensch ist schon glücklich, wenn er sein Leben in Einsamkeit verbringt und
niemanden hat, mit dem er schöne Augenblicke erlebt, der immer ein offenes Ohr
für einen hat und sich in unglücklichen Momenten um einen kümmert? ( ~ach
nichts sehnen sich die Menschen so sehr wie nach uneigennütziger Freundschaft."
/ „Und auch um der Einsamkeit zu entfliehen, lassen sich die Menschen gern zu
Vertraulichkeiten hinreißen, [···1"40; „[...], „sine amicitiam vitam esse nuttam, si
modo velint aliqua ex psrte liberaliter vivere."~). Außerdem wird bei Märai
deutlich, dass die Menschen in Einsamkeit nicht existieren können. Henrik war
schon immer anfällig für Krankheiten, doch erst als er Konrad kennengelernt hat
wurde er immer seltener krank „Von dem Tag an hustete der Junge weniger. Er
war nicht mehr allein. Er ertrug die Einsamkeit unter den Menschen nicht."42
Des weiteren haben Laelius und Henrik auch die gleiche Auffassung über die
wahre Freundschaft.
In den Augen beider lebt eine wahre Freundschaft bis über den Tod hinaus. Das
beste Beispiel ist hier Laelius selbst. Er spricht über seinen besten Freund Scipio,
der erst verstorben ist, nur positiv „sed tarnen recordatione nostrae amicitiae sie
fruor, ut beate vixisse videar, quia cum Scipione vixerim, quocum mihi coniuneta

cura de publica re et de private fint, quocum et domus firit et militia communis et
id, in quo est omnis vis amicitiae, voluntatum, studionim, sententiarum summa
consensio.u43 und für ihn besteht ihre Freundschaft immer noch, wie auch Scipio
es zu seinen Lebzeiten gesagt hat: „quarnquarn ille quidem nihil difficilius esse
dicebat quam amicitiam usque ad extremum vitae diem "44 „[...], doch
die Freundschaft, die in der Kindheit zwischen zwei Menschen entstanden ist,
vermag vielleicht nicht einmal der Tod aufzuheben. 45
Eine wahre Freundschaft wird erst mit der Zeit offenbart, denn am Anfang kennt
man seinen neuen Freund noch nicht genau und muss erst seinen Charakter
erforschen. Wenn die Charaktere sich ergänzen und im Laufe der Zeit sich nicht
verändern, dann erst kann man diesen als einen wahren Freund ansehen JEst igitur
prudentis sustinere ut currum, sie inpetum benevolentiae, quo utamur quasi equis
temptatis sie amicitia, ex aliqua parte periditatis moribus amiconim"46 Mit der
Zeit merkt man nämlich, ob der Freund nicht nur wegen dem Nutzen an einer
Freundschaft interessiert ist. Bei Marai wird diese Meinung ebenfalls
aufgegriffen. Henrik und Konrad sind von Kindesalter an Freunde. Henrik schätzt
diese Freundschaft sehr hoch und kann sich ohne seinen Freund sein Leben nicht
mehr vorstellen, während Konrad dagegen auch manchmal ohne seinen Freund
sein Leben genießt und sich anderen Dingen widmet, wie der Musik. Henrik spürt
dies: „[...], aber Henrik spürte manchmal mit Beunruhigung, dass der Freund ein
Geheimnis hatte."47 Und obwohl die Freundschaft der beiden schon sehr lange
bestanden hat, hat Henrik erst in den Jahren seiner Einsamkeit den wahren
Charakter seines Freundes Konrad erkannt, als er sich intensiv mit dieser Freund-
schaft beschäftigt hat. Er hat herausgefunden, dass Konrad ihn eines Tages bei
einer Jagd erschießen wollte, ihn, seinen angeblichen besten Freund
(S. 146 oben -S. 148 Mitte ). Und welcher wahre Freund würde seinen Freund
umbringen? Außerdem weiß er jetzt, dass Konrad ihn eigentlich nicht als Freund
haben wollte „ In Wirklichkeit verhielt es sich so, dass du mich vierundzwanzig
Jahre lang gehaßt hast, mit einer heißen Leidenschaft, die schon fast an die Glut
großer Beziehungen erinnert [...]"
Bei Cicero sowie auch bei Märai kommt zum Ausdruck, dass eine wahre Freund-
schaft eigentlich nur unter Gleichgesinnten möglich ist.
Denn Gleichgesinnte haben auch gemeinsame Interessen und ähnliche Ansichten,
somit kann dadurch die Freundschaft gefestigt werden. Und dies ist auch die
Begründung von Laelius „dispares enim mores disparia studia sequuntur, quorum
dissimilitudo dissociat amicitias; nee ob aliam causam ullam boni inprobis,
inprobi bonis amid esse non possunt, nisi quod tanta est inter eos, quanta maxima
potest esse, morum studiorumque distantia."49
Bei Märai stellt der Vater von Henrik fest, dass Konrad anders ist ( „Weil er eine
andere Art Mensch ist"'° ). Die beiden Freunde erleben ihre ganze Kindheit und
Jugend zusammen und sind wie Zwillinge ( S. 37) und sie werden sogar nur noch
bei einem Namen genannt, J~ie Henriks" (S. 41). Doch sie sind in Wirklichkeit
wie Tag und Nacht. Konrad ist arm, er lernt nur schwer und hat Mühe Kontakte
zu knüpfen, während Henrik dagegen aus einer reichen Familie stammt, leicht
lernt und kontaktfreudig ist (S. 43). Auch wenn sie ähnliche Interessen haben,
hat Konrad ein Hobby mit dem Henrik leider nichts anzufangen weiß, die Musik,
und das ist das Entscheidende („doch Konrad hatte eine Zuflucht, wohin ihm sein
Freund nicht folgen konnte: die Musik. Sie war wie ein geheimer Unterschlupf,
[...] . Henrik war unmusikalisch, für ihn taten es auch Zigeunermusik und Wiener
Walzer*'" ) Diese Verschiedenheit wird den beiden Freunden zum Verhängnis
und es kommt zu einem Riss in der Freundschaft und Henrik erkennt dieses
Anders sein:
„[...], dass es zwischen Männern und Frauen, unter Freunden und Bekannten
immer um dieses Anderssein geht, das die Menschheit in zwei Parteien spaltet.
Manchmal glaube ich schon, dass es auf der Welt nur diese beiden Parteien gibt ...
so vermag eine Seele der anderen nur dann zu helfen, wenn diese nicht anders ist,
wenn ihre jenseits von Ansichten und Überzeugungen liegende geheimste
Wirklichkeit ähnlich ist [...].""
Und er weiß auch, dass er dieses Anders sein nicht verändern kann, nicht mit
Hilfe von Reichtum oder anderen Hilfsmitteln
„Und man kann im Leben alles erreichen, in der Welt und um sich herum alles
niederringen, das Leben kann einem alles nehmen,; aber den Geschmack, die
Neigung, den Rhythmus eines Menschen kann man nicht ändern, nicht sein
Anderssein, das ihn völlig charakterisiert, während er dir doch nahesteht, dir
wichtig ist.""

„Die Glut S. 53"
„Die Glut S. 176/177"
„Die Glut S. 178"
Eine weitere Parallele ist die Meinung beider über den Ursprung der Freundschaft.
Für beide ist der Grund für das Entstehen zwischenmenschlicher Beziehungen das
Streben der Menschen nach Zuneigung. Und um diese Zuneigung zu erlangen
benötigt der Mensch die Liebe, denn ohne die Liebe können keine Beziehungen
entstehen „amor enim, ex quo amicitia nominata est, princeps est ad
benevolentiam coniungendam."" „[...] Und was liegt ihr zugrunde? Die
Sympathie? Ein leeres, schales Wort, zu schwach, um auszudrücken, dass zwei
Menschen in den schweren Momenten des Lebens füreinander einstehen.
Sympathie? [...] Und doch ist es Eros. In jeder Liebe, in jeder zwischen-
menschlichen Beziehung lebt der Eros."" ( Eros ist der griechische Liebesgott )
Eine Freundschaft wird zerstört, wenn man sich nicht richtig verhält, auch darin
sind sich beide Autoren einig. Es ist natürlich in jeder zwischenmenschlichen
Beziehung wichtig den Menschen, den man liebt in allen Lebenslagen zu
unterstützen, aber man sollte dennoch diesen Menschen auch auf seine Fehler
offen hinweisen und ihm nicht schmeicheln. Vor allem sollte über alles geredet
werden und auch Kritik eingesteckt werden, denn größte Gefahren in einer
zwischenmenschlichen Beziehung sind Heuchelei und Geheimnis „[...], sie
habendum est nullam in amichiis pestem esse maiorem quam adulationem,
blanditiam, adsentationem;"~ . Bei Sändor Märai wird dies deutlich, weil Konrad
mehrere Geheimnisse hat. Das schon einmal aufgetretene Problem mit der Musik
in der Freundschaft sowie die Beziehung zu der Ehefrau von Henrik, Krisztina,
was Henrik wiederum erst in der Zeit seiner Einsamkeit herausfindet.
Weitere Gefahren sind für beide Autoren Geld, Wettstreit um Ehre und Ruhm,
Überforderung der Freunde und Neid „pestem enim nullam maiorem esse
amicitiis quam in plerisque pecuniae cupiditatem, in optimis quibusque hohoris
certamen et gloriae" ; „ tantum autem cuique tribuendum, primum, quantum ipse
efficere possis, deinde etiam, quantum ille, quem diligas atque adiuves,
sustinere"
Dies zeigt auch Marai in seinem Buch. Henrik ist reich. Konrad arm und Henrik
spürt, „dass sie ihren Freundschaftsbund, zerbrechlich und vielfältig wie jede
zwischenmenschliche Beziehung, vor dem Einfluss des Geldes retten, vor jedem
Anflug von Neid oder Taktlosigkeit bewahren mussten"~.
Aber leider trifft dies in der Freundschaft zu. Konrad ist neidisch auf seinen
Freund. Henrik ist reich, hat einen angesehenen Vater, wird von der Gesellschaft
akzeptiert und hat ein glückliches Leben mit seiner Frau. Und daraufist Konrad
neidisch „[...], und du hast es nicht ertragen, dass dir etwas fehlte, das ich dank
Abstammung, dank Erziehung besaß, oder vielleicht war es auch etwas
Gottgegebenes. [...] Du hast dieses Vertrauen und diese Freundschaft, die mir von
der Welt entgegengestrahlte, verachtet, aber gleichzeitig warst du auch tödlich
neidisch darauf."~.
Ein weiter Grund für den Riss in der Freundschaft ist auch, dass Henrik Konrad
zu sehr eingeschränkt hat . Der Junge gab mit Konrad an, er hätte ihn am Liebsten
allen als seine Schöpfung, sein Meisterwerk gezeigt, während er ihn anderseits
eifersüchtig hütete in seiner Angst, man könnte ihm den, den er liebt weg-
nehmen."
So nämlich denkt auch Laelius: „[...], ut ne nimis cito diligere incipiant neve non
dignos."" Denn zu viel Liebe erstickt eine jede zwischenmenschliche Beziehung,
weil der Partner seinen Freiraum verliert.
Auch die Ansichten über die Pflichten weisen Parallelen auf.
Als eine Freundespflicht sehen beide das „ untereinander Gleichstellen" an.
Henrik und Konrad stammen aus unterschiedlichen Familien. Sie haben sich mit
10 Jahren kennen gelernt und waren seit dem unzertrennlich. Damit es Konrad gut
geht hätte Henrik alles getan und seinen Freund unterstützt „ [...], mich, von dem
du im Leben alles bekommen konntest, was du brauchtest, menschliche und
materielle Unterstützung, während du mein Haus als dein eigenes, mein
Vermögen als ein gemeinsames, meine Familie als deine Adoptivfamilie
betrachten durftestr'62 Auch Laelius meint, dass man unter Freunden ein
Gleichgewicht herstellen sollte „Quam ob rem ,ut ii qui superiores sunt,
submittere se debent in amicitia, sie quodam modo inferiores extollere."63
Eine weitere Pflicht, in der sich beide einig sind, ist das Ermahnen und Tadeln,
aber ohne den Freund dabei zu beleidigen oder ihm zu schmeicheln ,nam et
monendi amici saepe sunt et obiurgandi [...]·"64 Und wenn Konrad seinem Freunc
seine Meinung über ihn gesagt hätte, dann wäre es sicherlich nicht zu diesem
Gespräch gekommen.
Das oberste Gesetz in einer Freundschaft ist für Laelius und Henrik, den Freund in,
allen Lebenslagen und vor allem im Unglück zu unterstützen und dafür keine
Gegendienste zu verlangen. Außerdem soll man seinen Freund mit seinen Fehlern
akzeptieren ( „quarnquarn Ennius recte „ amicus certus in re incerta cernitur [...]
aut si in bonis rebus contemnunt aut in malis deserunt [...]."~'
„[...], dass die Freundschaft ein Dienst ist. Wie der Liebende, so erwartet auch dei
Freund keinen Lohn für seine Gefühle. Er will keine Gegendienste, er sieht den
Menschen, den er als Freund erwählt hat, nicht in einem illusorischen Licht, er
sieht seine Fehler und akzeptiert ihn mitsamt seinen Folgen."" ).

Andererseits zeigen sich auch deutlich Unterschiede zwischen den Auffassungen
der beiden Hauptfiguren.
Auffällig ist hierbei die Gewichtung des Themas in der Darstellung. Schon rein
vom Formalen ist bei Cicero ein strukturierter Aufbau zu erkennen. Er gibt zuerst
eine Gesamtmeinung ab, erzählt anschließend vom Wesen und dem Ursprung
einer Freundschaft und geht zum Schluss auf mögliche Gefahren und die
Freundespflichten ein, denen er auch die Aufmerksamkeit schenkt. Dies wird
deutlich durch die Verteilung der Kapitel. Fast 70 Kapitel widmet er den
Freundschaftsregeln. Bei Sandor Marai dagegen ist kein strukturierter Aufbau zu
erkennen. Er reist eigentlich jedes Thema von Cicero an, legt seinen Schwerpunkt
aber eher auf den Wert einer Freundschaft. Er hält die Freundschaft für eine Ehre,
wie es auch sein Vater meint „Für meinen Vater bedeutete das Wort Freundschaft
dasselbe wie Ehre."67 Außerdem meint er weiter, dass die Freundschaft wie ein
Dienst ist ohne Gegendienste zu verlangen „ [...] , dass die Freundschaft ein
Dienst ist. 68.
Eine weitere auffällige Abweichung ist die Ansicht über die Treue in einer
zwischenmenschlichen Beziehung. Für Laelius ist eine Freundschaft auf keinen
Fall ohne die Treue möglich, denn Treue verfestigt eine zwischenmenschliche
Beziehung und ohne Treue kann nie ein Vertrauen entstehen, was in einer
Freundschaft eine große Rolle spielt „Firmamentum autem stabilitatis
constantiaeque est eius, quam in amicitia querimus, fides."69
Aber Henrik fragt sich:
„Und wenn ein Freund versagt, weil er ein richtiger Freund ist, darf man dann
seinen Charakter, seine Schwäche anklagen? Was ist eine Freundschaft wert, in
der man den anderen für seine Tugenden, seine Treue, seine Beständigkeit liebt?
Was sind die Arten von Liebe wert, die mit Treue rechnen? Ist es nicht unsere
Pflicht, den treulosen Freund genauso zu akzeptieren wie den treuen, der sich
aufopfert? Ist nicht das der wahre Gehalt einer jeden zwischenmenschlichen
Beziehung, diese Selbstlosigkeit, die vom anderen nichts, rein gar nichts fordert
und erwartet? [...] Und wenn er dem anderen das Vertrauen einer ganzen
Jugendzeit schenkt und dann die Opferbereitschaft eines ganzen Menschenalters
und am Schluss das Höchste, das ein Mensch dem anderen geben kann, nämlich
das blinde, bedingungslose, leidenschaftliche Vertrauen, und wenn er dann sehen
muss, dass der andere treulos und gemein ist, darf er dann aufbegehren und Rache
wollen?"70
In seiner Einsamkeit, in der er sich mit diesen Fragen auseinandergesetzt hat, hat
er keine Antworten gefunden und er ist zu dem Entschluss gekommen, dass
„[...], dass der Mensch vergeblich die wahre Natur der Beziehungen kennenlerne,
er werde durch solche Erkenntnisse doch nicht klüger. Und deshalb haben wir
kein Recht, vom anderen bedingungslose Ehrlichkeit und Treue zu verlangen,
nicht einmal dann, wenn die Geschehnisse gezeigt haben, dass dieser Freund
untreu war."
Außerdem sieht Henrik die Treue als ein Egoismus:
„ist die Treue nicht ein entsetzlicher Egoismus, und auch eitel, so wie die meisten
Belange eines Menschenlebens? Wenn wir Treue fordern, wollen wir dann das
Glück des anderen? Und wenn er in der subtilen Gefangenschaft der Treue nicht
glücklich sein kann, lieben wir ihn dann wirklich, wenn wir trotzdem Treue
fordern? Und wenn wir ihn nicht so lieben, dass er glücklich ist, dürfen wir dann
irgend etwas von ihm verlangen, Treue oder sonst ein Opfer? [...] Und was die
Menschen Betrug nennen, das traurige, banale Aufbegehren eines Körpers gegen
eine Situation und eine Drittperson, ist ihm Rückblick beängstigend gleichgültig -
ja fast schon mitleiderregend wie ein Mißverständnis oder ein Unfall."72
Hier spielt er auf Konrad an. Deshalb ist für Henrik ihre Freundschaft immer noch
vorhanden „ [...] Wir sind noch immer, noch jetzt Freunde."73
Ein letzter Unterschied .ist mir aufgefallen. Er handelt über die Wahl der Freunde.
Während Henrik zu diesem Thema sich nicht äußert, spricht Laelius dagegen sehr
genau darüber. Er legt seinen Schwiegersöhnen ans Herz, dass sie bei der Wahl
ihrer Freunde sehr sorgfältig sein sollen und nur jemanden als einen Freund
ansehen sollen, der sich als wahrer Freund zeigt und die oben genannten Be-
dingungen erfüllt. Das Problem hierbei liegt aber darin, wie auch Laelius sagt,
dass sich ein Freund erst mit der Zeit als einen wahren oder als einen falschen
Freund herauskristallisiert.

Ich hoffe, dass ich mit diesem Vergleich gezeigt habe, dass auch im 20.
Jahrhundert sich die Ansichten über die Freundschaft kaum verändert haben.
Dies will ich noch mal verdeutlichen, indem ich die Ergebnisse meiner Befragung
über die heutige Auffassung der Freundschaft bei verschiedenen Generationen
darlege:

Marita ( 17 ). Schülerin aus Unterschleißheim;
Was verstehst Du unter Freundschaft ?
„ Unter Freundschaft verstehe ich, dass die Freunde sich gegenseitig helfen und
füreinander da sind."
Was ist für Dich wichtig in einer Freundschaft ?
„ Wichtig finde ich, dass ich auf meinen Freund zählen kann, dass auch das
Vertrauen vorhanden ist. Außerdem sollte der Freund gemeinsame Interessen
haben, damit wir die Freizeit gemeinsam verbringen können."

(Anita Meßli, Camerloher-Gymnasium Freising, Klasse 13, Leistungskurs Latein, Facharbeit 2001)