Syrische Kirchen

 
  Auf einsamer Terrasse hoch über der Stadt Hakkari, den hohen Cilobergen gegenüber, steht der einfache Bau des Gotteshauses von Kochanes, das bis 1917 Bischofskirche und Residenz des nestorianischen Patriarchen war. In der Kirche - ehemaliger Name Mar Shalita - wird seither Dung getrocknet. 
 

(Foto und Bildtext: Hans Thoma, Türkei, Verlag J.Berg, München 1991, Seite 109)

    Die syrischen Kirchen in Geschichte und Gegenwart gehören zu den bestgehüteten unter den großen Geheimnissen des Christentums. Daß sie wenig bekannt sind, brauche ich hier nicht zu erörtern. Aber ich möchte kurz andeuten, warum in dieser Armut, Bedrängnis und Vergessenheit etwas Großes verborgen liegt:
    1) Die syrischen Christen sind die einzigen Erben der semitischen Tradition des Judentums im Christentum. Bekanntlich war das Hebräische von der Babylonischen Gefangenschaft an bis in unser Jahrhundert hinein eine tote Sprache. Auch in Jerusalem sprach man Aramäisch, auch in der "Biblia Hebraica" gibt es aramäische Kapitel (v.a. Esra und Daniel), und Jesus und die Apostel sprachen Aramäisch.
    2)  Das Judenchristentum ging dann relativ bald unter, und außerhalb der griechischen und lateinischen Welt entwickelte sich das Christentum zunächst nur in Mesopotamien, also im Südosten der heutigen Türkei und in Mesopotamien. Das Zentrum war die Stadt Urfa, die im Griechischen Edessa heißt. Und die dortige Ausprägung des Aramäischen nannte man später das Syrische.
    3) Im 5. Jahrhundert trennte sich dann aus verschiedenen Gründen die Kirche des Ostens von der griechisch-römischen. Seither nennt man sie die Nestorianer.
    Nach dem Konzil von Chalcedon (451) löste sich auch der Großteil der ägyptischen Kirche von der offiziellen Reichskirche und entschied sich für die monophysitische Lehre. Ihre Lehre verbreitete sich im folgenden Jahrhundert auch im Bereich des heutigen Syrien. So entstand die westsyrische oder, nach ihrem wichtigsten Missionar, Jakob von Baradai, auch jakobitische Kirche.
    Die im katholischen Sinne rechtgläubige, die melkitische (kaiserliche) Kirche, blieb der griechischen Sprache in der Liturgie treu; aber es gab auch Gruppen wie die Maroniten, die zwar bis ins Hochmittelalter hinein nicht in Erscheinung treten, aber dem syrischen Kulturkreis angehören.
    4) Die Eroberung des Nahen Ostens durch die Mohammedaner bedeutete noch keine Krise für die Syrer. Einerseits haben sie durch die Übermittlung des griechischen Kulturguts einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung der arabischen Hochkultur geleistet. Andererseits war die nestorianische Kirche die missionarisch aktivste Kirche des Mittelalters und mehr oder minder dauernd auf dem ganzen asiatischen Kontinent präsent.
    Zum speziellen Thema der China-Mission möchte ich zwei Dokumente präsentieren:
- Aus dem Jahr 782 stammt eine große Säule, die in der damaligen Hauptstadt Changan, dem heutigen Sian gefunden wurde. Den Text auf dieser Säule hat der englische Gelehrte James Legge übersetzt und herausgegeben. Sie können ihn hier ansehen.
- Nicht weniger beeindruckend ist der Bericht von zwei türkischen Mönchen, die 1285 von Peking aufgebrochen sind, um nach Jerusalem zu gelangen, wo sie aber nie ankommen. Dafür kommt der ältere als Botschafter des mongolischen Herrschers von Persien nach Europa, der jüngere wird Patriarch der nestorianischen Kirche. Die französische Übersetzung dieses Textes finden Sie auf diesem Website.
    5) Mit der Zuwendung der Mongolen und Türken zum Islam beginnt die Leidenszeit für die syrische Kirche, die bis in die Gegenwart andauert.

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