Niccolò Machiavelli - Opera Omnia >>  Verfahren des Herzogs von Valenza
Other languages:   italian_flag   united_kingdom_flag   russian_flag                                   



 

ilmachiavelli Text integralen Durchgang komplette Angebot der Quellen Komödien arbeitet historische literarische Werke in Prosa und in Versen


VERFAHREN DES HERZOGS VON VALENZA, BEI HINRICHTUNG
 
DES VITELLOZZO VITELLI, OLIVEROTTO VON FERMO,
 
SIGNOR PAULO, UND HERZOGS VON GRAVINA ORSINI

 
 
Übersetzt von Gottlob Regis
     

Es war der Herzog von Valenza aus der Lombardey zurückgekehrt, wohin er gegangen war, um sich beim König Ludwig von Frankreich über viele Verleumdungen zu verantworten, die ihm die Florentiner wegen des Aufruhrs von Arezzo und der andern Städte in Val di Chiana erhoben, und war nach Imola gekommen, wo er mit seinen Truppen den Feldzug wider Johann Bentivogli, den Tyrannen von Bologna bezweckte, da er diese Stadt sich unterwürfig machen, und zur Residenz seines Herzogthums Romanien erheben wollte. Als dieses die Vitelli und die Orsini, nebst ihrem übrigen Anhang erfuhren, schien ihnen daß der Herzog zu mächtig würde, und wenn er Bologna einnähme, besorglich sey, er möchte zu verderben suchen, um sich allein der Waffen in Italien zu bemächtigen. Und hielten hierüber zu Magione im Peruginischen einen Landtag, wo der Cardinal, Paul, und der Herzog von Gravina Orsini, Vitellozzo Vitelli, Oliverotto von Fermo, Johann Paul Baglioni, Tyrann von Perugia, und Messer Antonio da Venafro, als Deputirter Pandolfo Petrucci's, Oberhauptes von Siena, zusammenkamen. Man sprach daselbst von der Größe des Herzogs, von seiner Gesinnung, und wie es noth sey, seine Gelüste im Zaume zu halten, wenn man nicht mit den Übrigen zu Grunde zu gehen befahren wolle. Und sie beschloßen, die Bentivogli nicht aufzugeben, und zu versuchen, die Florentiner sich günstig zu stimmen; schickten auch ihre Unterhändler an beide Orte, den Einen Hülfe verheißend, den Andern gegen gemeinen Feind mit ihnen sich zu verbinden ermunternd. Es wurde dieser Landtag schnell durch ganz Italien ruchbar, und jene Völker, die unter dem Herzog mißvergnügt lebten, worunter auch die Urbinischen waren, schöpften Hoffnung, den Dingen eine neue Wendung geben zu können. So geschah es in dieser Spannung der Gemüther, daß Einige von Urbino den Anschlag faßten, sich der S. Leo'sburg zu bemeistern, die für den Herzog inne gehalten wurde, und sie nahmen dazu den Anlaß hievon: Es fortifizirte der Schloßvoigt eben diese Burg; und, da er Bauholz hinführen ließ, stifteten die Verschworenen es so an, daß einige von den Balken, die man in die Burg fuhr, über die Brücke zu liegen kamen, damit sie, so gesperrt, von Denen innerhalb nicht aufgezogen werden könnte. Mit dieser Gelegenheit sprangen sie auf die Brücke, und von da in die Burg. Durch welchen Überfall, sobald er bekannt ward, jene ganze Provinz sich empörte, und den alten Herzog zurückrief, nicht sowohl durch die Besetzung der Burg ermuthigt, als durch den Landtag zu Magione, von dem sie sich Beistand versprachen. Jene Verbündeten, als sie den Abfall Urbino's erfuhren, glaubten diese Gelegenheit nicht versäumen zu dürfen, rückten mit ihren vereinigten Truppen vor, um alle noch in den Händen des Herzogs etwa befindliche Städte mit Sturm zu erobern, sandten von neuem nach Florenz, und drangen in die Republik, ihnen beizutreten, gemeinsamen Brand ihnen löschen zu helfen, stellten den Sieg als schon entschieden, die Gelegenheit so vor, daß man auf keine zweyte warten dürfe. Die Florentiner jedoch; den Orsini und den Vitelli aus mehreren Gründen abgeneigt, verbanden nicht nur sich nicht mit ihnen, sondern sandten den Nicolo Machiavelli, ihren Secretair, an den Herzog, ihm wider diese seine Feinde Hülfe und Zuflucht anzubieten, der sich zu Imola sehr in Furcht befand, da er auf einmal und wider alle seine Erwartung, den eignen Soldaten verfeindet, von dem Kriege sich so nah bedroht und wehrlos sah. Doch, auf das Erbieten der Florentiner, faßte er wieder Muth, und gedachte den Krieg mit Hülfe der wenigen Truppen, die er hatte, und mit Praktiken und Unterhandlungen hinzuziehen, einstweilen sich aber Succurs zu verschaffen, den er auf zweyerlei Wegen erhielt: indem er den König von Frankreich um Truppen anging, und nebenher jeden Reiter und wer nur immer einigermaßen den Pferdedienst verstand, in Sold nahm, und Allen Geld gab. Demungeachtet drangen die Feinde vor, und zogen auf Fossombrone, wo einige Truppen des Herzogs standen, die von den Vitelli und den Orsini geworfen wurden. Dieß machte, daß der Herzog nun sich gänzlich darauf legte, zu sehen, wie weit er diese Stimmung im Wege der Unterhandlungen dämpfen könnte. Und, der Verstellung im höchsten Grade mächtig, versäumte er keine Art der Verbindlichkeiten, ihnen zu zeigen, daß sie die Waffen wider Den ergriffen hätten, der ihnen selbst, was er erworben, zugedacht, und wie ihm schon der Fürstentitel genug sey, denn das Fürstenthum solle ihre seyn. Und beredete sie so lange, bis sie den Signor Paulo zu Unterhandlung eines Vergleichs an den Herzog sandten, und den Krieg beruhen ließen. Es ruhte darum der Herzog aber keinesweges mit seinen Rüstungen, verstärkte mit allem Fleiß die Reiterey und das Fußvolk, und, um diese Rüstungen geheim zu halten, legte er die Truppen vertheilt an alle Orte Romanien's. Es waren indeß noch fünfhundert französische Lanzen gekommen: und, ob er sich gleich schon jetzt so stark fand, daß er sich hätte im offenen Krieg an seinen Feinden rächen können, so hielt er es dennoch für sicherer und nützlicher, sie zu berücken, und die Traktaten wegen Vergleichs, um dessentwillen nicht abzubrechen. Auch wurde die Sache so eifrig betrieben, daß er einen Frieden mit ihnen abschloß, worinn er die alten Hauptmannschaften ihnen bestätigte, viertausend Dukaten Geschenk gab, die Bentivogli nicht zu beschädigen versprach, Schwägerschaft mit dem Johann schloß: ferner sollte er nicht befugt seyn, sie zu nöthigen persönlich vor ihm zu erscheinen, weiter als ihnen selbst belieben würde. Dagegen versprachen sie ihm das Herzogthum Urbino, nebst Allem, was sie ausserdem noch occupirt, zurückzuerstatten, auf allen seinen Zügen ihm behülflich zu seyn, und ohne seine Erlaubniß niemand zu bekriegen, noch sich mit jemand einzulassen. Auf Abschluß dieses Vergleiches entfloh der Herzog Guid' Ubaldo von Urbino auf's Neue nach Venedig, nachdem er zuvor alle Festungen jener Provinz hatte schleifen lassen; da er, der sich auf's Volk verließ, nicht wollte daß jene Festungen, die er nicht glaubte halten zu können, der Feind bekäm, und mittelst ihrer seine Freunde im Zügel hielt. Der Herzog von Valenz aber, als er diesen Vertrag gemacht, und in ganz Romanien seine sämmtlichen Truppen nebst den französischen Reitern vertheilt, begab sich gegen Ende Novembers von Imola nach Cesena, wo er viele Tage lang mit den Gesandten der Orsini und Vitelli, die nebst ihrem Volk im Herzogthum Urbino standen, Berathungen pflog, was man nun Neues beginnen wolle: und da nicht das Mindeste ausgemacht ward, so wurde Oliverotto von Fermo an ihn geschickt mit Anerbieten, wenn er den Zug in Toskana beschlöße, so wären sie dazu bereit; wonicht, so wollten sie Sinigallien belagern. Worauf der Herzog erklärte: in Toskana wolle er keinen Krieg, weil die Florentiner seine Freunde wären; es wäre ihm aber ganz recht, wenn sie auf Sinigallien gingen. So geschah es, daß nicht lange darauf die Zeitung kam, es habe die Stadt sich ihnen ergeben, aber die Burg wolle sich ihnen noch nicht ergeben, weil sie der Schloßvoigt niemandem als der Person des Herzogs öffnen wolle: und riethen ihm also vorzugehen. Dem Herzog schien die Gelegenheit gut, und nicht darnach um Verdacht zu erwecken, indem er von ihnen gerufen, nicht aus eigner Bewegung kam. Und, um sie noch sicherer zu machen, entließ er alle französische Truppen, welche sich bis auf hundert Lanzen seines Schwagers, des Herren von Candales, zurück in die Lombardey begaben; brach um die Mitte des Dezembers von Cesena auf, und ging nach Fano, wo er mit aller ihm möglichen List und Verschlagenheit die Vitelli und die Orsini beredete, in Sinigallien ihn zu erwarten, vorstellend, wie solche Sprödigkeit ihrem Bunde weder Bestand noch Zutrauen geben könne, und wie er der Mann sey, der sich Rathes wie der Waffen seiner Freunde bedienen zu können wünsche. Und ob Bitellozzo gleich sich lange sträubte, durch den Tod des Bruders belehrt, daß man keinen Fürsten beleidigen und hinterher ihm vertrauen dürfe, so ließ er sich dennoch durch Zureden des vom Herzog durch Versprechungen und Geschenke bestochenen Paul Orsino willig finden, ihn zu erwarten. Worauf der Herzog vor seinem Aufbruch aus Fano, der auf den 30sten Dezember 1502 festgesetzt war, seinen Anschlag Achten seiner Vertrautesten eröffnete, unter denen Don Michael und Monsignor d' Euna, nachmals Cardinal, waren, und ihnen auftrug, sobald Vitellozzo, Paul Orsino, der Herzog von Gravina, und Oliverotto ihnen entgegen gekommen wären, sollten ihrer je Zwey und Zwey immer Einen von Jenen zwischen sich in die Mitte nehmen, Jeder den ihm bezeichneten Mann, und Diese bis nach Sinigallien unterhalten und sie nicht lassen, bis sie in dem Quartiere des Herzogs angelangt und verhaftet wären. Darauf gab er seinen sämmtlichen Truppen zu Fuß und Roß, über 2000 Pferde und 10,000 Fußvolk stark, Befehl, in der Frühe mit Tages Anbruch am Metauro, einem Flusse fünf Miglien von Fano, zu seyn, und ihn da zu erwarten. Nachdem er nun, den letzten Dezember, sich am Metauro mit diesen Truppen vereinigt hatte, schickte er ohngefähr 200 Berittene vorauf, ließ dann das Fußvolk nachmarschiren, worauf er selbst mit dem Rest der Reiterschaaren folgte. Fano und Sinigallien sind zwey Städte in der Mark, am Ufer des Adriatischen Meeres gelegen, 15 Miglien von einander entfernt, so daß, wer auf Sinigallien zugeht, die Berge zur rechten Hand hat, deren Wurzeln bisweilen so dicht an das Meer vortreten, daß zwischen ihnen und dem Wasser nur ein sehr schmaler Raum bleibt; und wo sie am weitesten sich zurückziehn, da beträgt die Entfernung keine zwey Miglien. Die Stadt Sinigallien ist von den Wurzeln dieser Berge kaum über einen Bogenschuß, und vom Strande keine Miglie weit entlegen; ihr zur Seite fließt ein kleiner Fluß, den Theil ihrer Mauern bespühlend, welcher auf Fano hin nach der Straße sieht. Es kommt daher, wer Sinigallien sich nähert, ein gutes Stück Weges an den Bergen entlang, und wenn er den Fluß erreicht hat, der an Sinigallien hinläuft, wendet er sich zur Linken, folgt dem Ufer desselben, bis er in Pfeilschußweite eine Brücke findet, die über den Fluß führt und fast dem Thore gradüber steht, welches nach Sinigallien nicht in gerader Linie, sondern schräg einführt. Vor'm Thore ist eine Vorstadt, Häuser und ein freier Platz, welchem der Uferdamm des Flusses auf Einer Seite zur Brustwehr dient. Da nun die Vitelli und die Orsini den Herzog zu erwarten und in Person zu verehren beschlossen, hatten sie ihre Truppen, um den seinigen Platz zu machen, in mehrere Castelle bis auf sechs Miglien weit von Sinigallien zurückgezogen, und nur den Oliverotto mit seiner Schaar, an 150 Pferde und 1000 Fußvolk in Sinigallien hinterlassen, die in der Vorstadt, deren gedacht ist, einquartiert waren. Nach so bestellten Sachen rückte der Herzog auf Sinigallien an, und als das erste Reiterglied an die Brücke kam, so ritten sie nicht hinüber, sondern machten Halt, die Kruppen der Pferde theils nach dem Flusse, theils nach dem Felde zugekehrt, und ließen einen Weg in der Mitte, wodurch die Infanterie passirte, die ohne Aufenthalt in die Stadt zog. Vitellozzo, Paul, und der Herzog von Gravina kamen dem Herzog auf kleinen Maulthieren, von wenigen Pferden begleitet entgegen, und Vitellozzo entwaffnet, im grün verbrämten Mantel, ganz betrübt, als wenn er den nahen Tod geahnet hätte, gab, wem des Mannes Tugend und sein voriges Glück bekannt war, zu einiger Verwunderung Anlaß. Auch sagt man, er habe, als er von seinen Leuten sich trennte, um den Herzog in Sinigallien einzuholen, von ihnen wie einen letzten Abschied genommen: seinen Obersten befahl er sein Haus und dessen Geschick, und die Neffen ermahnte er, nicht des Glückes ihres Hauses, sondern der Tugend ihrer Väter eingedenk zu seyn. - Als diese Drey nun vor dem Herzog erschienen und ihn höflich begrüßten, wurden sie von ihm mit gutem Gesicht empfangen, und von Denen, die sie zu bewachen den Auftrag hatten, alsobald in die Mitte genommen. Da aber der Herzog den Oliverotto nicht bei ihnen fand, der mit seinen Leuten in Sinigallien geblieben, und vor dem Platze seines Quartiers am Flusse beschäftigt war, sie in Ordnung zu halten und einzuüben, winkte er mit den Augen dem Don Michael, dem die Sorge für Oliverotto oblag, dahin zu sehen, daß Oliverotto ihm nicht entwischte. Es ritt daher Don Michael hin zum Oliverotto, und sagte ihm, daß jetzt keine Zeit wär, die Leute vor den Quartieren zu halten, weil sie von denen des Herzogs ihnen genommen werden würden, rieth ihm also sie unter Dach zu bringen, und mit ihm dem Herzog entgegen zu gehen. Und Oliverotto, nach Vollziehung dieses Befehles, kam zum Herzog, der, wie er ihn sah, ihn zu sich rief; worauf ihn Oliverotto begrüßte, und dann sich zu den Andern gesellte. Nachdem sie, in Sinigallien nun eingerückt, Alle vor dem Quartier des Herzogs abgestiegen waren und mit ihm in ein geheimes Zimmer getreten, wurden sie von dem Herzoge zu Gefangenen gemacht, der augenblicklich zu Pferde stieg, und die Truppen der Orsini und des Vitellozzo zu demontiren befahl; die des Oliverotto, weil bei der Hand, wurden sämmtlich rein ausgezogen. Die der Orsini und Vitelli, entfernter, und ihrer Herren Unglück schon vorbesorgend, gewannen Zeit, sich zusammenzuthun; und, eingedenk der Tugend und Mannszucht der Häuser Orsino und Vitello, schloßen sie sich fest aneinander, und retteten sich wider Willen des Landes und der ihnen feindlich gesinnten Menschen. Die Soldaten des Herzogs aber, noch nicht mit der Plündrung von Oliverotto's Leuten zufrieden, fingen in Sinigallien zu plündern an, und wenn der Herzog nicht mit dem Tode Mehrerer, ihrem Unfug ein Ziel gesetzt, so hätten sie es rein ausgeplündert. Nachdem es aber Nacht geworden und der Tumult gestillt war, schien es dem Herzoge Zeit zur Hinrichtung des Vitellozzo und Oliverotto, und ließ sie Beide an Einen Ort zusammenführen und erdrosseln; wo Keiner von ihnen auch nur ein Wort seines früheren Lebens würdig geäußert: denn Vitellozzo bat, man wolle den Papst anflehen, daß er ihm vollständigen Ablaß seiner Sünden gewähren möge; Oliverotto bürdete alle Schuld der dem Herzog erwiesenen Beleidigungen weinend dem Vitellozzo auf. Paul und den Herzog von Gravina Orsini ließ man am Leben bis dem Herzoge gemeldet ward, daß der Papst zu Rom den Cardinal Orsino, den Erzbischof von Florenz, und Messere Jakopo da Santa Croce gefangen genommen; auf welche Nachricht auch sie im Schlosse der Land-Dechaney, den achtzehnten Januar Ein Tausend Fünfhundert und Drey, in gleicher Art erdrosselt wurden.







eXTReMe Tracker
        Niccolò Machiavelli - Opera Omnia  -  bearbeitet von ilVignettificio  -  Privacy & cookie

w3c xhtml validation w3c css validation