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Einige Hinweise und Anregungen
Dieses Kapitel vereint Texte zum Thema „Flucht aus Südtirol, Flucht nach Südtirol". Ausgangspunkt für die Auswahl der Texte war die Überlegung, dass die Erfahrungen der deutschsprachigen Südtiroler in der Zwischenkriegszeit und besonders im Jahre 1939 im Unterricht behandelt werden sollen, dass es aber auch wichtig ist, auf Menschen- und Volksgruppen hinzuweisen, die, ähnlich wie die Südtiroler, in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ihre Heimat verlassen mussten, vom Optionsabkommen betroffen waren oder, wie im Falle der Istrier, nach dem Zweiten Weltkrieg nach Südtirol zugewandert sind.
Schülerinnen und Schülern soll durch die Beschäftigung mit den Texten dieses Kapitels bewusst werden, wie viele Menschen in unserem geographischen Raum ein ähnliches Schicksal erlitten haben wie die Südtiroler.
Die Behandlung des ersten Textes ermöglicht es, auf grundsätzliche politische Überlegungen bezüglich Umsiedlung hinzuweisen und die Erfahrungen der Südtiroler in der Zeit des Faschismus in einen allgemeineren Zusammenhang zu stellen. Text 12 informiert über das Zustandekommen des Optionsabkommens und über die Ergebnisse der Option.
Die Texte über die Flucht aus Buchenstein, die „erste" Option, die Erfahrungen der Welschtiroler, die Umsiedlung der Grödner und der Kanaltaler und die Umsiedlung der Luserner und der Fersentaler können im Unterricht auch arbeitsteilig behandelt werden, sodass einzelne Schüler die Texte bearbeiten und dann in der Klasse über die Geschichte und die Erfahrungen einzelner Minderheiten berichten. Verschiedene Aspekte können auch noch anhand der entsprechenden Literatur ergänzt und vertieft werden.
Die Beschäftigung mit den Erfahrungen der jüdischen Gemeinde von Meran und mit der Flucht vieler Juden durch Südtirol ermöglicht eine Auseinandersetzung mit einem eher unbekannten Kapitel der Südtiroler Geschichte. Auch was dieses Thema betrifft, wäre eine Vertiefung durch einzelne Schüler/innen oder die eingehendere Behandlung der Geschichte der Juden in Südtirol sicher von Bedeutung und eine Bereicherung.
Denkbar wäre auch ein Gespräch mit einem Vertreter der jüdischen Gemeinde, sofern man die Themen Judentum und Flucht der Juden aus Südtirol und durch Südtirol im Unterricht vertiefen will.
Im letzten Teil des Kapitels wird die Geschichte Istriens und der Istrier dargestellt. Nach einem kurzen historischen Überblick wird über die Situation in den 80er und 90er Jahren berichtet. Ein Text ist den Erfahrungen von Menschen gewidmet, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Istrien und Dalmatien nach Südtirol zugewandert sind.
Diese Realität ist unseren
Schülerinnen und Schülern sicher nicht so geläufig und kann
Anlass zur Annäherung an dieses Thema sein. Dieses Material bietet
darüber hinaus eine gute Gelegenheit, fächerübergreifend
(Geschichte, Italienisch) zu arbeiten.
Die Idee der Umsiedlung ethnischer Minderheiten zur Schaffung übereinstimmender Staats- und VoIksgrenzen war keine Erfindung der Nationalsozialisten oder Faschisten. Sie entstand vielmehr auf dem Höhepunkt und gewissermaßen als letzte Konsequenz des nationalstaatlichen Denkens. Erste Vorschläge zur „völkischen Flurbereinigung" wurden bereits am Vorabend des Ersten Weltkriegs durch deutsche und italienische Nationalisten entwickelt.
Der Vorsitzende des Alldeutschen Verbandes, Heinrich Class, erhoffte sich von einem siegreichen Ausgang des Kriegs deutsche Gebietseroberungen in West und Ost; aus einem derart geschaffenen „Großdeutschland" sollten dann Franzosen, Juden und Slawen vertrieben, umgesiedelt und durch „verstreute deutsche Volkssplitter" ersetzt werden.
Ettore Tolomei und Adriano Colocci-Vespucci aus dem Umkreis der Associazione Nazionalista Italiana forderten für ein siegreiches Italien die Verschiebung seiner nördlichen Grenze bis zur Wasserscheide des Alpenhauptkammes und die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung.
Während des Ersten Weltkriegs und dann in den zwanziger Jahren wurden Umsiedlung und Bevölkerungsaustausch auch als Instrument zur Regelung zwischenstaatlicher Konflikte diskutiert: Der deutsche Publizist Siegfried Lichtenstaedter machte in den zwanziger Jahren u. a. den Vorschlag, die italienische Bevölkerung des Schweizer Kantons Tessin mit der deutschsprachigen Bevölkerung in Südtirol auszutauschen.
Auf diplomatischer Ebene wurde zwischen Deutschland und Italien eine Umsiedlung der Südtiroler schon sehr früh in Erwägung gezogen: Der deutsche Botschafter in Ankara, Nadolny, schlug seinem italienischen Amtskollegen Montagna bereits im Jahr 1925 einen derartigen Plan vor.
Lichtenstaedter wie Nadolny waren gewissermaßen „am Puls der Zeit". Erst im Jahr 1919 waren der freiwillige griechisch-bulgarische Bevölkerungsaustausch und im Jahr 1923 der obligatorische Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei vereinbart worden. Wenn die deutsche Reichsregierung diese Pläne nicht aufgriff, so nicht zuletzt deshalb, weil ihre Außenpolitik zu diesem Zeitpunkt nicht allein auf eine Gewinnung der Südtiroler, sondern auf den Erwerb ganz Südtirols zielte.
Aus: Option/Opzioni/Heimat/Tiroler
Geschichtsverein von Hubert Mock, Walter Pichler, Martha Verdorfer, Alessandra
Zendron, Seite 140
Als Italien Österreich den Krieg erklärte, verlegten die österreichischen Truppen aus strategischen Gründen den größten Teil der Frontlinie auf eine Hügel- und Bergkette nördlich von Fodom (Buchenstein). Im Tal verlief die Frontlinie nahe dem Weiler Court, zwischen La Plié und Réba (Arabba). Die italienischen Truppen ihrerseits hatten ihre Artilleriegeschütze auf die Bergkette südlich von Fodom verlegt. Das Tal war damit zweigeteilt und befand sich zudem zwischen den Kanonen.
Da der größte Teil des Tales wehrlos war, wurden die Dörfer von den italienischen Truppen kampflos besetzt. In La Plié wurde eine Carabinieristation eingerichtet, ausgerechnet in jenem Gebäude, in dem sich auch eine Unterkunftstätte für Kranke befand. Aufgrund der Anwesenheit italienischer Truppen beschossen die österreichischen Truppen (mit Beginn am 18. August 1915) La Plié de Fodom, also ihr eigenes Dorf; dabei trafen sie oft daneben und schossen das ganze Dorf in Brand, am Schluss zerstörten sie auch das Krankenhaus, wo 134 Personen untergebracht waren. Unter dem Granatenhagel konnte man sich auch nicht den Gebäuden nähern, um das Feuer zu löschen.
Den Menschen Fodoms blieb nichts anderes übrig, als ihre Dörfer zu verlassen. Ein Teil floh nach Norden, ins benachbarte Gadertal, nach Deutschtirol und Böhmen, ein Teil nach Süden, bis nach Domodossola, nach Pallanza (Lago Maggiore) und in die Abruzzen. Alle blieben so lang als möglich zu Hause und brachen zumeist erst auf, sobald ein Verbleib nicht mehr möglich war: Wir sind zu Hause geblieben bis zur letzten Minute. Es wurden die Matratzen auf die Wagen geschleppt ... Wir sind unter den Granaten losgegangen ...
Der Großteil der Flüchtlingen musste innerhalb weniger Stunden aufbrechen, Zeit für die Vorbereitung der Flucht hatte man kaum, mitnehmen konnten sie meist nur wenige Habseligkeiten. Eine Familie musste das angerichtete Mittagessen stehen lassen und fliehen:
An jenem Abend schossen die Österreicher, die Granaten explodierten um uns herum. Die Italiener waren in den Wald gegangen, um zu schlafen, und wir waren alle im Keller. Am Tag danach war ein ganz großes Durcheinander; sie gaben uns Anordnungen, eine nach der anderen, immer mit dem Gewehr in der Hand: Geht ins Haus, kommt raus, schaut nicht aus dem Fenster. Dann haben sie Agai in Brand gesteckt. Tante Jacoma hatte gerade die Polenta über, aber sie musste sie vom Feuer nehmen und stehen lassen, denn wir mussten weggehen.
Ein anderer Augenzeuge berichtet über die Dramatik der Lage:
Nach einiger Zeit begann die Bombardierung, und draußen explodierte eine Granate, ich erinnere mich. Ich erinnere mich an diese Explosion, ich habe sie gesehen ... und gerade hier, in dieser Küche, wurde mein Bruder Felix durch einen Splitter über dem Knie verletzt, und Pina hatte einen zersplitterten Arm und eine Wunde im Bauch ... Wir sahen, dass wir nicht bleiben konnten und sind aufgebrochen, ich mit den Schlappen die Mutter mit der Wiege auf dem Rücken, darin ein fünf Monate altes Kind.
Für die einfache Bevölkerung, die nie etwas anderes als ihr Tal kennen gelernt hatte, glich der Krieg einem Weltuntergang:
Es kamen die Geschosse dahergeflogen, sogar im Friedhof flog Erde auf uns, meine Mutter sagte: Die Toten überfallen uns.
Die Flüchtlinge legten viele Tage zu Fuß zurück, bevor sie eine erste Unterkunft fanden. Die ersten Nächte verbrachten sie zumeist auf Stallböden. Eine Frau brachte ihr Kind im Wald zur Welt. Über den Eindruck, den die Flüchtlinge hinterließen, berichtet Franz Canins, Pfarrer von Longiarü:
Man hatte ihnen zwar sofort nach der Kriegserklärung kundgetan, dass sie fort müssten, konnten es aber nicht glauben, übers Herz bringen die Heimat zu verlassen. Eines Abends hieß es: „Morgen um 8 Uhr muss alles fort sein:" Es machte einen wehmütigen Eindruck auf den Straßen und Wegen diesen armen Flüchtlingen zu begegnen, eine Völkerwanderung im Kleinen. Der dezimierte Viehstand der Familie wurde vorausgetrieben (Rindvieh, Ziegen und etliche Schafe), dann folgte die Familienmutter. Sie und die älteren Kinder einen Korb am Rücken, die kleineren einen Rucksack oder nichts; dann folgte der alte Vater oder eine Tochter mit Gratten, worin sich die wenigen Habseligkeiten, die sie retten konnten, fanden. Alle Flüchtlinge tief niedergeschlagen und so manche zogen weinend weiter Herberge suchend. Es kamen gegen 60 Personen hierher, die meisten aus Andraz, Corte-Brenta, Ornella usw. und wurden in leer stehenden Häusern untergebracht.
Für 40 Fodomer Familien ging die Reise bis nach Böhmen; ein Zehnjähriger erzählt:
Im Gadertal blieben wir drei Monate, mich hatte man zu einem Bauern getan, ich weidete die Kühe ... Im Herbst fragten sie uns dann, ob wir nach Böhmen gehen wollten, zunächst allerdings hatten sie Salzburg gesagt. So sind wir aufgebrochen, zuerst nach Bruneck, dann nach Ehrenburg, am Tag danach kam der Pustertaler Zug und ließ die Familien einsteigen. Der Zug war voll. Wir sind über Lienz gefahren und haben bis Salzburg eine Woche gebraucht. Dort haben sie uns aussteigen lassen und haben uns in einem großen Saal voll Stroh gebracht, in dem es fürchterlich stank.
Den Fodomer Familien, die nach Böhmen flohen, blieb die Unterbringung in Lagern glücklicherweise erspart. Einmal in Böhmen angelangt, hatten sie eine relativ angenehme Existenz, sie wurden von der Bevölkerung gut behandelt. Als jedoch die Hungersnot ausbrach, wurden sie beschuldigt, daran schuld zu sein: Immer wieder wird in der Geschichte der Flüchtling zum Sündenbock.
Mateo Taibon
aus Luciana Palla: Fra realtà e mito. La grande guerra nelle valli
ladine, Franco Angeli 1991 und Luciana Palla: I Ladini tra Tedeschi e Italiani,
Marsilio Editore 1986
Entgegen dem Versprechen der italienischen Stellen, in der Angelegenheit nachsichtig und rasch vorzugehen, wurden die meisten Gesuche nur sehr schleppend behandelt, an die 10.000 Ansuchen schließlich überhaupt abgelehnt. Für die Betroffenen hatte dies oft existentielle Notsituationen zur Folge, da zumindest für Eisenbahner und Beamte die italienische Staatsbürgerschaft unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung ihres Berufs war; ihnen blieb meist nur die Auswanderung nach Nordtirol.
Neben dem generellen Interesse des Staates, die Minderheit zahlenmäßig zu reduzieren, waren für die Ablehnung der Ansuchen klare politische Überlegungen der italienischen Behörden ausschlaggebend. Man wollte alle „unruhigen Elemente" möglichst außer Landes haben. Dazu zählten in erster Linie Gewerkschafter und Sozialdemokraten, ferner Personen, die sich während des Krieges durch antiitalienische Parolen und Aktionen hervorgetan hatten. Auch einige Südtiroler Honoratioren waren daran interessiert, der „unruhigen Elemente" entledigt zu werden. Jeder Optant musste die Zusicherung einer Gemeinde haben, im Falle der Annahme seines Gesuchs in den Heimatverband aufgenommen zu werden. Da mit dem Heimatrecht auch das Gemeindewahlrecht verbunden war, waren vor allem die Landgemeinden mit diesen Zusicherungen recht knauserig. Erst 1922, nach einer Intervention des Deutschen Verbandes, wurden die Gemeinden mit ihrem Heimatrecht freigiebiger. Für viele war das aber schon zu spät.
Am nachhaltigsten betroffen von der Verweigerung der italienischen Staatsbürgerschaft waren die Eisenbahner. Bereits im April 1920 war auf der Strecke Bozen-Meran die Entlassung sämtlicher Stationsvorsteher angeordnet worden. Um gegen die rigorosen Entlassungen, die Verweigerung der Staatsbürgerschaft und die Aberkennung der Pensionsansprüche zu protestieren, setzten die Eisenbahner im Anschluss an den 48-stündigen Generalstreik, der als Reaktion auf die Ermordung des Marlinger Lehrers Franz Innerhofer ausgerufen worden war, ihren Ausstand fort. Als der Streik schließlich nach vier Wochen, am 22. Mai 1921 beendet wurde, hatte die Regierung zwar Zusagen bezüglich der Pensionen gemacht, in der Staatsbürgerschaftsfrage war aber keine Lösung erzielt worden.
Im Herbst 1921 begannen die ersten Entlassungen wegen fehlender Staatsbürgerschaft und bis 1923 wanderten rund 90% der ehemaligen Südbahnbediensteten nach Nordtirol aus, wo sie zunächst in notdürftigen Wohnwaggons am Innsbrucker Bahndamm hausen mussten. Allein von den 1921 in Mittewald und Franzensfeste lebenden 245 Familien emigrierten 150.
Von den Vertretern des Deutschen Verbandes, die sich in anderen Bereichen oft und sehr vehement gegen Maßnahmen des italienischen Staates zur Wehr setzten, wurde diese Vertreibung der Eisenbahner aus Südtirol kaum zur Kenntnis genommen. (...)
Zu den Leidtragenden der ersten Option zählten auch Adolf Berger und seine Familie. Adolf Berger sen. wohnte in Franzensfeste, Eisenbahnknotenpunkt und Zentrum der Arbeiterbewegung, und war dort Kanzleischreiber in der Güterverladeanlage. In Franzensfeste lebte damals jeder Zweite von der Bahn und für die Bahn. Natürlich war man Mitglied der Gewerkschaft. Das gehörte „schon zum guten Ton", so Adolf Berger jun., Jahrgang 1902. Berger sen. war nach 1918 Vorsitzender der neugegründeten Südtiroler Eisenbahnergewerkschaft und Vorstandsmitglied der Sozialdemokratischen Partei. (...)
Obwohl schon zwanzig Jahre in Südtirol, war Adolf Berger sen. nicht dort heimatberechtigt und hatte somit auch nicht automatisch die italienische Staatsbürgerschaft erhalten. Bereits im August 1921 forderte ihn die Trienter Eisenbahnverwaltung in einem schriftlichen Ultimatum auf, entweder innerhalb von drei Tagen um die italienische Staatsbürgerschaft anzusuchen oder umgehend seine Stelle zu räumen. Berger hatte bislang die italienische Staatsbürgerschaft nicht beantragt, da zu befürchten war, dass dann sein Sohn schon bald zur italienischen Armee eingezogen worden wäre. Und für vieles mochte der internationalistische Sozialdemokrat Berger gerade noch Verständnis aufbringen, seinen Sohn aber einmal in einer italienischen Uniform begrüßen zu müssen, ging ihm entschieden zu weit. So bereitete sich die Familie systematisch auf die Auswanderung nach Nordtirol vor, die im November 1921 erfolgte. (...)
Wenige Tage nach dem „Anschluss" Österreichs im März 1938 wurde Adolf Berger sen. wegen seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit verhaftet. Bis 1945 wurde er insgesamt noch viermal verhaftet, seine Zugehörigkeit zu den illegalen „Revolutionären Sozialisten" konnte ihm jedoch nie nachgewiesen werden.
Erst zehn Jahre nach seiner Auswanderung nach Nordtirol gestattetem ihm die italienischen Behörden, seine Heimat Franzensfeste zu besuchen. Sein Sohn erinnert sich: „Wie haben das Dorf nicht wiedererkannt, alle sprachen italienisch."
Adolf Berger jun. lebt heute, mittlerweile 87-jährig, in Innsbruck – in einer Eisenbahnersied-lung gleich hinter dem Westbahnhof.
Aus: Option/Opzioni/Heimat/Tiroler
Geschichtsverein von Christoph von Hartungen, Othmar Kiem und Alessandra
Zendron, S. 23-29
Da jedoch die Existenz von 200.000 Deutschen in Italien immer noch Anlass für ein mögliches Zerwürfnis zwischen den „Achsenmächten" sein konnte, musste dieses Problem ein für alle Mal gelöst werden.
Bereits während der Verhandlungen zum „Stahlpakt" schlug Italien vor, an die 10.000 in Südtirol lebende deutsche Staatsbürger nach Deutschland auszusiedeln. In einem internen Memorandum des Reichsführers-SS Himmler (30. Mai 1939) wurde erstmals von reichsdeutscher Seite der Gedanke formuliert, auf längere Sicht alle Südtiroler nach dem Osten (z.B. nach Mähren) umzusiedeln, zunächst aber 20 – 30.000 nach Nordtirol „herauszunehmen", um Italien zu beruhigen. Der Tiroler Gauleiter Hofer wurde mit der Vorbereitung dieser Maßnahme betraut. (...)
Mit dem bedrohlichen Näherkommen des Stichtages der Option (31. Dezember 1939) wurde die Auseinandersetzung innerhalb der Volksgruppe immer erbitterter; die vereinzelten Dableiber konnten nur mehr unter dem Schutz der Carabinieri oder im Verborgenen arbeiten. Sie gründeten daher im November die „Andreas-Hofer-Gruppe" unter der Leitung von Friedl Volgger; ihre Aufgabe war der Kampf gegen Option und Abwanderung, aber auch gegen die faschistische Unterdrückung.
Am 31. Dezember 1939 – 12 Uhr war die Optionsfrist abgelaufen. Laut Zählungen des VKS hatten sich 86% der Südtiroler für die Abwanderung entschieden, der Rest für den Verbleib in der Heimat. Die italienischen Stellen sprachen von nur 69%, um die Niederlage des Faschismus nicht ganz so erschreckend erscheinen zu lassen. Als nämlich die Faschisten erkannten, dass die Option beinahe einem Plebiszit für das Dritte Reich gleichkam, versuchten sie die Ausmaße der Abwanderung einigermaßen einzudämmen. Sei es durch die Garantie, auch weiterhin in der angestammten Heimat bleiben zu dürfen, sei es durch Behinderung der Option und großzügige Ermöglichung von Umoption, wollte man die Südtiroler für den Verbleib im Lande gewinnen, allerdings vergeblich.
Die Abwanderung selbst ging nur langsam voran. Als Erste traf es die Besitzlosen, die „heim ins Reich" kehrten, dann die Bauern. Ende Juni 1942 waren ca. 75.000 Personen abgewandert, ein Drittel davon (25.000) nach Tirol und Vorarlberg, ein weiteres Drittel in andere ehemalige österreichische Bundesländer, der Rest verteilte sich über das übrige Reichsgebiet. Bald danach kam die Umsiedlung infolge der Kriegsereignisse und der Behinderung durch einsichtsvolle deutsche Stellen fast völlig zum Erliegen.
Aus: Geschichte
Südtirols/Jugendkollektiv Lana von Reinhold Staffler und Christoph
von Hartungen ; S. 129-131
Laut den Untersuchungen, die der italienische Außenminister nach der Befreiung auf Grund der Akten der Kommission zur Durchführung der deutsch-italienischen Abkommen sowie der italienischen Wertfestsetzungskommission (Delegazione Economica Finanziara Italiana, DEFI) in Auftrag gegeben hatte, optierten 6000 Italiener für das Deutsche Reich, dazu kommen weitere 1465 aus Trient, Belluno und Udine. Sehr wahrscheinlich umfassen diese Zahlen auch die Ladiner.
Glaubhafter ist jedoch eine Veranschlagung der italienischen Optanten auf einige Hundert, wie Maria Veronika Rubatscher meint, wenn sie von „185.000 Betrogenen und dann Gepresste „ schreibt: "... von denen Hunderte der deutschen Sprache nicht mächtig sind und Aberhunderte, ja sogar Tausende blutsmäßig der rhätischen Urbevölkerung angehören."
In Buchholz waren beispielsweise unter den 20 Familien, die für Deutschland optiert hatten, nur 2 deutschsprachig; 34 Familien waren Dableiber.
Überall wurden die Familien auseinander gerissen und erlitten somit dasselbe Schicksal wie die deutschsprachigen, mit dem Unterschied allerdings, dass wirtschaftliche Beweggründe eine größere Rolle spielten als die „Wiedervereinigung mit der deutschen Heimat".
Gleich tief empfunden wurde hingegen die Drohung einer Umsiedlung in den Süden. Die Angst davor war unter dem besitzenden Bauernstand besonders verbreitet, hatte er doch erst wenige Jahrzehnte zuvor Sicherheit, Wurzeln und Identität erlangt – eine „tirolische" Identität, die nun endgültig verweigert werden sollte. (...)
Aus: Optionen/Heimat/Opzioni/Tiroler
Geschichtsverein von Hubert Mock, Walter Pichler, Martha Verdorfer, Alessandra
Zendron, S. 169-170
Die Organisation und Durchführung der Kanaltaler Umsiedlung lag in den Händen des Gaugrenzlandamtes Kärnten, dessen Leiter der ehemalige Geschäftsführer des „Kärntner Heimatbundes", SS-Obersturmbannführer Alois Maier-Kaibitsch, war. Seine Stelle organisierte auch die am 14. und 15. April 1942 durchgeführte Zwangsaussiedlung von rund 220 slowenischen Bauernfamilien und die Einziehung ihrer Anwesen als „volks- und staatsfeindliches Vermögen".
Etwa 5700 Kanaltaler wurden bis zum Ende der Umsiedlungsaktion in diesen Gebieten sowie in den Kanaltaler Siedlungen der Kärntner Städte angesiedelt. In ähnlicher Weise wurde in den 1941 besetzten Gebieten der Südsteiermark die slowenische Bevölkerung ab- und Volksdeutsche aus dem Schwarzmeergebiet (Dobrudscha und Bessarabien) und der Gotschee angesiedelt.
Das Gaugrenzlandamt in Klagenfurt war auch für die geschlossene Ansiedlung der Grödner zuständig, denn diese sollten zunächst ebenfalls im Reichsgau Kärnten – in Südkärnten oder im Bezirk Lienz (Osttirol) – eine neue Heimat finden.
Vertreter aus Gröden hatten schon im Herbst 1939 ein Zusammenbleiben aller Grödner gefordert und eine baldige Umsiedlung empfohlen. Denn erstens könnten sich die Wirtschaftszweige des Tales, bäuerliche Wirtschaft, Holz verarbeitende Industrie und Fremdenverkehr nur unter ähnlichen Bedingungen wie in Gröden erhalten und weiterentwickeln und zum Zweiten würden die italienischen Stellen die Abwanderer ruinieren, wenn sie nicht schnellstens umsiedeln könnten.
Der Einfluss der Grödner bei den reichsdeutschen Stellen in Berlin war groß genug, sodass von der Reichskommission für die Festigung deutschen Volkstums (RKFdV) zunächst Osttirol als geschlossenes Gebiet für die Grödner Optanten festgelegt wurde. Nachdem aber dort die notwendige Siedlungsfläche nicht zur Verfügung stand, wurde das Hochschwabgebiet in der Obersteiermark als neues Siedlungsgebiet bestimmt.
Die Entwicklungen in Südtirol und im Deutschen Reich überholten aber auch hier die Planung; übrig blieb eine Siedlung in Lienz mit 239 Wohnungen, in die aber tatsächlich nur wenige Grödner einzogen.
Einzelne Ansiedlungen von Grödnern, die nicht mit ihrer Volksgruppe geschlossen umgesiedelt werden wollten, gab es auch in Tirol und Vorarlberg. Diese wurden allerdings über Innsbruck, anstatt über Klagenfurt, abgewickelt.
Aus: Option/Heimat/Opzioni/Tiroler
Geschichtsverein von H. Alexander, S. 233-234
Das Fersental (Val dei Moccheni), d. h. die Gemeinden Palai, Florutz, Gereut und Eichleit sowie die Gemeinde Lusern waren fast ausschließlich deutschsprachig und mehrheitlich von Kleinbauern und Handwerkern bewohnt. In der Bevölkerung waren zudem traditionell die Saisonarbeit und der Wanderhandel weit verbreitet. Dadurch bestanden gute Kontakte auch zu Bozner Handelshäusern, etwa dem Haus Eccel, bei dem die Fersentaler sich mit Stoffen für den Hausiererhandel und wohl auch mit Nachrichten über die Vorgänge in Südtirol versorgten.
Nachdem in den dreißiger Jahren zahlreiche Bewohner der beiden Sprachinseln auch im Deutschen Reich Arbeit gesucht hatten, waren die dortigen Verhältnisse im Fersental und in Lusern ebenfalls weitgehend bekannt. Es ist daher anzunehmen, jedoch nicht belegt, dass die Initiative zur Aufnahme in den Kreis der Optionsberechtigten von Vertretern der Luserner und Fersentaler Bevölkerung selbst ausgegangen ist. Dafür spricht auch die Tatsache, dass nicht der Gesandte Otto Bene, der als Vertreter der Deutschen Reichsregierung, für die Verhandlungen mit den italienischen Stellen zuständig gewesen wäre, ihre Zulassung zur Option durchsetzte, sondern Wilhelm Luig als Leiter der ADERSt in Bozen. Er erreichte, mehr oder weniger im Alleingang und nach mehreren Gesprächen mit Unterstaatssekretär Guido Buffarini-Guidi Ende Dezember 1939 die Einbeziehung der Fersentaler und Luserner in die Optionsvereinbarungen. (...)
Im September 1941 ließ Wilhelm Luig den Lusernern und Fersentalern mitteilen, dass sie noch im Herbst abwandern sollten. Am 1. Oktober wurde im Fersental eine Verbindungsstelle der DAT (Deutsche Abwanderungs-Treuhandgesellschaft) zur Regelung der Vermögens-fragen eingerichtet.
Die Luserner und Fersentaler weigerten sich allerdings, bereits zu diesem Zeitpunkt zu gehen; sie hatten gerade erst ihre Ernte eingebracht und die Vorräte für den Winter eingelagert. Einige Vertreter der Optanten aus dem Fersental und aus Lusern fuhren deshalb nach Bozen, um in einer Unterredung mit dem Leiter und anderen Vertretern der ADERSt eine Änderung herbeizuführen. Luig teilte ihnen jedoch mit, dass der Zeitpunkt ihrer Abwanderung günstig gewählt sei und stellte ihnen eine geschlossene Ansiedlung in der Nähe von Marburg in der Südsteiermark in Aussicht. Ihre Ansiedlung sollte nämlich, ebenso wie die der Kanaltaler, nicht zusammen mit den Südtirolern in einem geschlossenen Siedlungsgebiet erfolgen, da sie in den Augen des Hauptstellenleiters der ADERSt nicht zu den Südtirolern gerechnet werden konnten. (...)
Am Bahnhof in Pergine wurde das Umsiedlungsgut in 54 Eisenbahnwagons verladen und nach Hallein transportiert. Am 21. April 1942 reisten 478 Fersentaler und am 24. April 192 Luserner mit einem Sammelreisepass ebenfalls nach Hallein in das Zwischenlager.
321 Personen, ausschließlich besitzlose Luserner und Fersentaler, hatten bereits als Einzelabwanderer ihre Heimat verlassen und waren in Tirol und Vorarlberg angesiedelt worden. 237 Optanten verweigerten eine Umsiedlung zu diesem Zeitpunkt, andere standen noch im italienischen Heer oder waren aus Krankheitsgründen zurückgeblieben. In Hallein wurden die Umsiedler in Baracken untergebracht und von einer Großküche versorgt.
Das Lager verfügte über eine Schule, einen Kindergarten und ein Lazarett. Im Sommer wurde den Erwachsenen, sofern sie nicht bereits zur Wehrmacht einberufen worden waren, theoretisch-landwirtschaftlicher Unterricht erteilt. (...)
Im Budweiser Becken wurden schließlich einigen Lusernern und Fersentalern Höfe „in Verwaltung" übergeben. Wer von den Umsiedlern jedoch geglaubt hatte, dort eine neue Heimat gefunden zu haben, wurde gegen Kriegsende eines Besseren belehrt.
Mit dem Heranrücken der Front suchten die deutschen Dienststellen des Protektorats das Weite und überließen die Luserner und Fersentaler in einer ihnen fremden und keineswegs freundlich gesinnten Umgebung ihrem Schicksal. Der Hass der zuvor unterdrückten Tschechen schlug ihnen nun offen entgegen. (...)
Anfang Mai 1945 schließlich verließen sie fluchtartig und unter Zurücklassung ihrer gesamten, drei Jahre vorher erst mitgebrachten Habe die Höfe. Unter Führung von Pfarrer Dejaco gelangten sie meist zu Fuß und nach großen Anstrengungen bis Innsbruck, mit Hilfe der Alliierten und des Nationalen Italienischen Befreiungskomitees CLN erreichten sie bereits im Laufe des Sommers 1945 wieder Lusern und das Fersental.
Von den italienischen Behörden wurden die Rückkehrer wieder als italienische Staatsbürger anerkannt, sie konnten auch ihren ursprünglichen Besitz wieder übernehmen.
Aus: Option/Heimat/Opzioni/Tiroler
Geschichtsverein von H. Alexander, S. 239-253
Die Ausführung des Regierungsdekretes über die Rückerstattung des jüdischen Eigentums (R.D. 20.1.1944, Nr. 26) wurde in Südtirol aus nie bekannt gewordenen, aber ahnbaren Gründen unterlassen; in diesen Jahren wurden aber Thorarollen, Silberschmuck und Leuchter der Synagogen von Meran, Mailand, Florenz und Turin sowohl in einem Magazin der Bozner Gemeinde wie auch in einer Meraner Kaserne, in Kisten verpackt, gefunden und trotz einer gewissen Opposition der Behörden von den Vorsitzenden der Kultusgemeinde gerettet. Weniger Glück hatten sie jedoch in anderen Fällen: Als die Gemeinde Meran die evangelische und katholische Kirche für die Zerstörung von deren Friedhöfen und der zwanghaften Überführung der dort aufbewahrten Gebeine entschädigte, verweigerte sie der jüdischen Kultusgemeinde, deren Friedhof auch hinter der Heiligen-Geist-Kirche, im jetzigen Marconi-Park, neben den anderen gelegen war, gleiche Behandlung.
Zu dieser Zeit (vom April 1945 bis Ende 1946) war einer der Überlebenden einer alten Meraner Familie, Walter Götz, als Kommissar der Kultusgemeinde tätig, und ihm ist zum Großteil die Wiederbildung der Kultusgemeinde zuzuschreiben. Er erhielt in der Casa del Fascio ein Büro und begann seine Tätigkeit mit Eifer und Hartnäckigkeit; im Laufe von wenigen Monaten erreichte er die Rückgabe des großen Genesungsheimes, das im vorigen Jahrhundert von einer jüdischen Stiftung errichtet worden war und noch als Krankenhaus für deutsche Soldaten benützt wurde, und übergab es dem American Joint für eine zweckmäßige Führung.
Viele hunderte Juden wurden dort nach den erlittenen gesundheitlichen und moralischen Schäden liebevoll betreut, und dort entwickelte sich das neue Zentrum des jüdischen Daseins in Meran. Nicht nur das tat er aber. Eine kleine Gruppe palästinensischer Kämpfer der Jüdischen Brigade (die in den alliierten Kräften eingekörpert war und mit diesen gegen das Naziregime gekämpft hatte) organisierte mit der Hilfe von Walter Götz die geheime Einwanderung nach Palästina von ungefähr 17.000 Juden, die den Gaskammern entkommen waren und durch Südtirol auf der Suche nach ihren Angehörigen und nach einer neuen Existenz wanderten.
Meine Mutter war eine der wenigen Juden, die sofort nach Kriegsende nach Meran zurückgekommen waren; was sie miterlebte, waren die beschriebenen Ereignisse, und andere, die niemand beschreiben kann, weil sie zu heftige und erschütternde Gefühle erwecken. Sie war im Jahre 1945 im englischen Militärlager in Bozen als Dolmetscher tätig, mit dem Auftrag, alle Heimkehrer aus den Konzentrationslagern aufzunehmen. Ein Querschnitt durch das grausamste und heroischste Kapitel der jüdischen Geschichte – das unendliche Leiden der Verfolgungen und der Aufbau des uralten, innigstgeliebten Vaterlandes in Palästina – hatte also in diesen Monaten gerade in Bozen und Meran eine nicht unbedeutende Etappe, die eine Verbindung mit dem entscheidenden Beitrag der jüdischen schöpferischen Fähigkeit zur Entwicklung Merans als weltbekannter Kurort, und der Provinz auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene, schuf. Die glorreiche Zeit dieser jüdischen Anwesenheit, des Unternehmungsgeistes einer Familie Schwarz und der Aufenthalte Franz Kafkas und Arthur Schnitzlers, war aber hoffnungslos vorbei. Der Untergang einer Epoche hatte das Ende des europäischen Judentums mit sich gebracht.
Jahraus jahrein veranstaltete die Kultusgemeinde Andachtsfeiern, um der durch die Nazis vernichteten Juden zu gedenken, und jahraus jahrein verweigerte die Südtiroler Volkspartei, sich den Meraner Juden in dieser traurigen Zeremonie anzuschließen, als wäre dies eine rein interne Angelegenheit des jüdischen Volkes, und nicht der gesamten Menschheit. Der Versuch, die Stadtgemeinde dazu zu bewegen, eine Gedenktafel auf Kafkas Wohnhaus zu setzen, scheiterte an der sturen Opposition der SVP. Das Bozner Durchgangslager, in dem so viele Menschen auf ihrem Weg nach Auschwitz grausamen Tod gefunden hatten, wurde eilig verbaut, im vergeblichen Versuch, dessen Erinnerung auszulöschen, während dergleichen Todesstätten in Österreich und Deutschland zu Museen errichtet und für die Menschheit aufbewahrt wurden.
Die Meraner Juden hatten in den ersten drei Jahrzehnten dieses Jahrhunderts auf ausschlaggebende Weise zum Fortschritt und Wohlergehen der Provinz und zur Anziehungskraft Merans als beliebter Treffpunkt der besten europäischen Gesellschaft beigetragen, und trotzdem stürzten sich viele Mitbürger bei der ersten Gelegenheit auf sie, um sie zu berauben und in den Todeslagern jede Spur ihrer Anwesenheit zu vernichten. In der Nachkriegszeit hat sich die Landesregierung benommen, als hätten all dies Fremde getan, für die keinerlei Verbindung und Einverständnis mit der hiesigen Bevölkerung bestände. Keine Entschädigung, keine moralische Wiedergutmachung, kein Wort der Reue, kein Zeichen eines Versöhnungswillens kam ihrerseits, dafür aber gab es so manche Warnsignale über das Bestehen eines Antisemitismus, der nicht nur bei den bekannten alten Nazis aus Hitlers Zeiten überlebt hat, sondern auch in anderen Schichten der Bevölkerung verbreitet ist; dieser Antisemitismus unterscheidet sich von dem der italienischen Linken, der im Jahr 1982 heftig zum Vorschein kam, indem er nicht die Vermummung des Antizionismus benützt, sich aber mit den bewährten Klischees jener Regimepropaganda äußert.
Unter diesen Umständen wollen, können und dürfen die Juden nicht vergessen, was ihnen angetan wurde. Jeder der in der Meraner Kultusgemeinde lebenden Juden hat in den Konzentrationslagern viele seiner Angehörigen verloren, einige von ihnen waren selbst in Auschwitz gewesen, niemand hat die Freunde vergessen, die im September 1943 von Meran deportiert wurden. Wenn wir – nicht wir Juden, wir Menschen – wirklich wollen, dass niemals und nirgends mehr solche Verbrechen an unschuldigen und hilflosen Mitmenschen begangen werden, so muss es unsere Pflicht sein, niemals zu vergessen; und wenn diejenigen, die diese Geschehnisse verabscheuen und abweisen sollten, durch ihr Schweigen ermöglichen, dass alles unverändert bleibt, dann müssen eben wir Juden, die Opfer, dafür sorgen.
Aus: sturzflüge
– eine Kulturzeitschrift (Nr. 15-16/1986) von Federico Steinhaus, Vorsitzender
der Jüdischen Kultusgemeinde von Meran, S.161-162
Österreich, und besonders Tirol, war bis in die fünfziger Jahre angesichts der geographischen Lage als Drehkreuz zwischen Deutschland und Italien das wichtigste Transitland des jüdischen Exodus. Zwei der wichtigsten Fluchtrouten Richtung Palästina führten aus den amerikanischen Besatzungszonen in Deutschland und Österreich durch Nord- und Südtirol Richtung Süden: Aus Bayern über Mittenwald/Scharnitz und über den Reschen oder Brenner, sowie aus Salzburg über das Transitlager Gnadenwald bei Hall weiter nach Südtirol. Wichtigste Zwischenstation in Südtirol war während dieser Jahre das jüdische Sanatorium in Meran, von wo aus die Transporte zu den „illegalen" Schiffen südlich von Genua oder in die Gegend von Bari weitergeleitet wurden.
Unmittelbar nach der Befreiung versuchten viele Überlebende, teils mit Hilfe jüdischer Organisationen, teils auf eigene Faust, nach Italien zu gelangen. Der direkteste Weg aus Oberösterreich, dem Ort der Befreiung aus den Lagern, führte über Kärnten zur Grenze bei Tarvis. Hier war zufällig die Jewish Brigade – eine rein jüdische Truppe der britischen Armee mit einem hohen Anteil von Soldaten aus Palästina – für die Grenzkontrolle verantwortlich. Die ankommenden Flüchtlinge wurden von den Soldaten aus Palästina in einem adaptierten ehemaligen Kriegsgefangenenlager bei Pontebba untergebracht, von wo aus der Weitertransport zu den Häfen in Süditalien organisiert wurde. Insgesamt 8.000 jüdische Flüchtlinge erreichten mit Hilfe der Jewish Brigade bis Juli 1945 Süditalien.
Nachdem im Juli diese Fluchtroute von den Briten durch die Verlegung der Truppe nach Belgien geschlossen worden war, gewann der Transit durch Nord- und Südtirol weiter an Bedeutung. Schon bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits knapp 5.000 jüdische Flüchtlinge über Nordtirol – meist mit falschen Papieren als „italienische Heimkehrer" getarnt – nach Italien gelangt.
Die italienische Regierung wurde daher 1946 und 1947 ständig unter Druck gesetzt, die Grenze zu Österreich scharf zu überwachen und gleichzeitig die Abfahrt illegaler Einwandererschiffe nach Palästina zu unterbinden. Bis zum Beginn der britischen Seeblockade Palästinas im August 1946 kümmerten sich die Italiener sehr wenig um die illegale Einreise jüdischer Flüchtlinge aus Österreich. Unter britischem Druck begann dann im Sommer 1946 eine verschärfte Überwachung der Brennergrenze. Die italienische Grenzwache griff wiederholt Flüchtlingsgruppen auf, die in der Folge wieder nach Österreich abgeschoben wurden. Diese Praxis zwang die Franzosen in Nordtirol, im eigenen Interesse ihrerseits die Einreise jüdischer Flüchtlinge aus Ostösterreich zu unterbinden, wollten sie sich nicht mit der Betreuung dieser Flüchtlinge in ihrer Zone belasten.
Ganz im Interesse der Briten machte die neue kompromisslose Haltung der Italiener und Franzosen im Spätherbst 1946 den illegalen Grenzübertritt nach Südtirol nahezu unmöglich.
Die sich nunmehr versteifende Haltung der Franzosen in Nordtirol zwang die „Brichah", eine geheime Fluchthilfeorganisation, im Sommer auf eine echte Notroute auszuweichen und zwar den über 2.600 m hohen Alpenübergang direkt aus der US-Zone über die Krimler-Tauern ins Südtiroler Ahrntal. Bis zum Herbst wurden immer wieder Gruppen von 300 bis 400 Flüchtlingen, meist unbemerkt, über die Berge nach Südtirol geschickt. Im Ahrntal warteten bereits Lastwagen zum sofortigen Weitertransport der Flüchtlinge in ein Mailänder Transitlager. Auch über den Reschen gelangten im Sommer 1947 immer wieder größere Gruppen nach Meran. Obwohl mehrfach Flüchtlingstransporte im Grenzgebiet aufgegriffen und nach Österreich zurückgeschickt wurden, ging die illegale Einreise jüdischer Flüchtlinge via Nordtirol nach Südtirol weiter.
Nach Italien, dem Ausgangspunkt für die illegale Schiffspassage Richtung Palästina, konnte die Brichah vor der Gründung des Staates Israel 40.000 Juden schleusen, davon rund 17.000 durch Meran, eine unbekannte Zahl erreichte Italien auf eigene Faust. Die letzte Etappe nach Palästina schafften bis zur Staatsgründung Israels 69.000 Juden auf der ganzen Welt, rund 55.000 wurden auf See von den Briten abgefangen und auf Zypern interniert.
Obwohl durch Nord- und Südtirol in den Jahren zwischen der Befreiung 1945 und der Staatsgründung Israels wichtige Transitrouten des jüdischen Exodus verliefen, entschlossen sich nur wenige Flüchtlinge, hier ein neues Leben zu beginnen. Die Kultusgemeinden in Meran und Innsbruck konnten sich nie mehr von den Folgen der faschistischen und nationalsozialistischen Verfolgung erholen. Zu unfreundlich war die Stimmung gegenüber einer Ansiedlung von Juden sowohl bei der Bevölkerung als auch den Behörden, zu stark war trotz Holocaust der Antisemitismus nördlich und südlich des Brenners geblieben.
Aus: skolast
– Zeitschrift der Südtiroler Hochschülerschaft (Nr. 3-4/1995),
Thomas Albrich S. 47-51
Istrien wurde von landlosen venezianischen Bauern und slawischen Karsthirten friedlich in Besitz genommen. Daraus wurde ein buntes Völkergemisch. Zara/Zadar war damals das wichtigste Zentrum Dalmatiens. 1409 kam der Küstenstreifen, im Besitz des Königs von Ungarn und Neapel, an die Republik Venedig. Im 18. Jahrhundert wurden Triest, Istrien und Dalmatien Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie.
In Triest und dem umgebenden Hochland lebten damals knapp 230.000 Menschen. Davon waren die Hälfte Italiener, 57.000 Slowenen, hinzu kamen Reichsitaliener, Deutsche, Kroaten. In Istrien lebten 370.000 Menschen. Die Italiener stellten an die 40 Prozent der Bevölkerung, die Kroaten 43 Prozent. 14 Prozent der Istrier waren Slowenen. In Fiume/Rijeka dominierten 1910 die Italiener. Von den 50.000 Einwohnern der Stadt waren die Hälfte italienischer Muttersprache, 12.000 waren Kroaten. Außerdem lebten in Fiume/Rijeka Slowenen, Ungarn, Deutsche und Juden. Geschlossenes italienisches Siedlungsgebiet bildete der Küstenstreifen Istriens, das Hinterland war im Süden von Kroaten, im Norden von Slowenen bewohnt, auch eine aus mehreren Dörfern bestehende wlachische (rumänische) Sprachinsel war in Istrien vor dem 1. Weltkrieg.
Unbedeutend war der italienische Bevölkerungsanteil in Dalmatien. Von den 340.000 Dalmatinern sprachen nur zwischen zwei und fünf Prozent italienisch, die größte Bevölkerungsgruppe stellten die Kroaten. Nur in der dalmatischen Hauptstadt Zara/Zadar waren die Italiener mit 9.000 Menschen in der Mehrheit.
Am 4. November 1918 vertrieben italienische Truppen die Österreicher und hissten die Trikolore. „Als die österreichisch-ungarische Monarchie, gesprengt durch das erwachende Nationalgefühl ihrer vielen Völkerschaften, zerfiel, neigten auch meine Nachbarn dazu (oder wurden gezwungen), ihrer fernen Herkunft, der italienischen oder der slawischen, nachzuspüren – und mehr als einer traf die Wahl nach dem wirtschaftlichen Vorteil oder nach seinen Vorlieben. Es war die Spaltung, eine Art Familiengezänk zunächst, ein Streit zwischen armen Verwandten (den Sympathisanten der Kroaten) und reichen Verwandten (den Mitgliedern der Lega Nazionale, des italienischen Nationalvereins, der im alten Istrien für den Anschluss an Italien warb), aber der Keim zur faschistischen Diskriminierung war gelegt", so Fulvio Tomizza über das Ende des 1. Weltkrieges. Das Land zerbrach in zwei Teile.
Während die Nationalisten feierten, forderten die Sozialisten die Schaffung eines Freistaates Triest, Istrien und Fiume: ein Grund für die italienische Siegermacht, Slawen und Sozialisten zu jagen. Die nationalistische Hetzwelle mit Verhaftungen und Polizeiterror führte dazu, dass allein aus Pula über 20.000 Slawen flüchteten. Die italienischen Behörden verschärften ihre Gangart gegenüber Slowenen und Kroaten: Ihre Schulen wurden geschlossen. Weitere 50.000 Slawen verließen ihre Heimat.
Mit dem Vertrag von Rapallo 1920 wurden Istrien, Zara und einige Inseln vor Dalmatien Teile des italienischen Staates. Fiume/Rijeka wurde Freistaat und Dalmatien kam an das jugoslawische Königreich. Schon vor der faschistischen Machtübernahme provozierten italienische Nationalisten Zwischenüberfälle im mehrsprachigen Istrien. Außerdem wurden die nichtitalienischen Beamten entlassen. 1924 wurde Fiume/Rijeka mit einem weiteren Vertrag „heimgeführt" nach Italien.
Mussolinis Diktatur begann mit einer radikalen ethnischen Flurbereinigung. Lebensraum für Italiener sollte geschaffen werden: d.h. Verbot von slowenischen und kroatischen Schulen, Zeitungen, Parteien und Verbänden. Die slawischen Namen wurden getilgt: 1933 wurden allein in Pula die Familiennamen von 53.000 Bürgern italienisiert. In der gesamten Region waren es 500.000 slawische Taufnamen. Die Ironie dabei: Auch viele Italiener hatten slawische Familiennamen.
Das faschistische Regime verfolgte im „italienischen" Osten besonders jene Slawen, die in linken Parteien aktiv waren. Mit langjährigen Haftstrafen und Todesurteilen versuchte das Regime, den slawischen Widerstand zu brechen. Im antifaschistischen Widerstand der Slowenen und Kroaten machten italienische Istrier mit. Um aber auch regimetreue Italiener in Istrien ansässig zu machen, erwarb das Bodenkreditinstitut im slowenischen Teil Istriens über 100 Bauernhöfe, auf denen das Regime 100.000 Italiener ansiedeln wollte.
Im 2. Weltkrieg marschierten italienische Truppen nach Slowenien ein. Der kroatische Ustascha-Staat des Hitlerfreundes Ante Pavelic musste die gemischtsprachigen Gebiete Dalmatiens und Istriens dem Verbündeten Mussolini überlassen. Dann standen sich in der 1943 von den Nazis gebildeten Operationszone „Adriatisches Küstenland" auf der einen Seite deutsche Nazis, italienische und kroatische Faschisten, auf der anderen slowenische, kroatische und italienische Widerstandskämpfer gegenüber. Die Partisanenverbände Titos stießen bis nach Triest vor. Die italienischen Antifaschisten propagierten als politisches Ziel den Freistaat Triest plus Istrien und Fiume/Rijeka. Doch der Hass zwischen Slawen und Italienern führte zur Konfrontation: Titos Verbände besetzten 1945 die Stadt Triest.
Die slawischen Kommunisten rächten sich kollektiv an den Italienern: über 6.000 Menschen wurden verhaftet, viele davon blieben verschollen. Erst mit der amerikanischen Besetzung Triests wurde die Menschenjagd beendet. 1947 wurde die Stadt Freistaat, in dem sich die Italiener die Vorherrschaft sicherten. Istrien, Fiume, Pula, Zara und andere Teilen Dalmatiens wurden jetzt tito-jugoslawisch. Als die Briten sich aus Pula zurückzogen, flüchteten viele italienische Istrier, die sich vor Repressalien der Tito-Partisanen fürchteten. Andere flohen, weil die italienische Regierung sie dazu aufgefordert hatte.
Aus: pogrom
– zeitschrift für bedrohte völker (Nr. 164/1992)
Die neuen Republiken an der italienischen Ostgrenze machten Fehler: So bezeichneten Mitglieder der slowenischen Regierung die kleine italienische Minderheit bei Capodistria/Koper als die Serben Sloweniens. Als fünfte Kolonne der italienischen Faschisten galten die Istrier in Kroatien – auch nach dem Machtwechsel. Schlechte Voraussetzungen, Solidarität bei den italienischen Istriern zu finden. Die Schüsse der serbischen Tschetniks und der Bundesarmee auf Siedlungen der italienischen Minderheiten führten zu einer neuen Situation. Die Istrier forderten Hilfe von Rom, ohne dafür von Laibach oder Zagreb als italienische Nationalisten beschimpft zu werden.
Schon im Februar 1991 unterzeichneten 4.000 Istrier einen Hilferuf an die italienische Regierung: Sie forderten die italienische Staatsbürgerschaft und einen italienischen Pass, um dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat zu entkommen. Die italienische Republik aber reagierte abweisend auf diesen SOS-Ruf. Enttäuschung machte sich in Istrien breit. Die Italiener Istriens hofften trotzdem weiter auf Unterstützung, auf Hilfe, bevor der Bürgerkrieg Istrien von Italienern säubern würde. Sie wollten sich nicht verjagen lassen, griffen deshalb auch zur Selbsthilfe.
Die italienische Minderheit wurde selbstbewusst: Die Namenslisten der Wahlberechtigten zeigen es. Noch 1981 kreuzten nur knapp 15.000 Bürger Kroatiens die italienische Nationalität an. Bei der Volksabstimmung für die Unabhängigkeit Kroatiens waren es dann plötzlich 100.000. Zweisprachige Istrier und italienischstämmige Kroaten entdeckten ihre „italianità". So schickten kroatische Familien ihre Kinder auf italienische Schulen: Allein in Fiume/Rijeka stammten 80 Prozent der Schüler der italienischen Schulen aus kroatischen Familien. Mit der Demokratisierung und dem inzwischen so blutig gewordenen Völkerfrühling in Jugoslawien fiel auch für die italienische Minderheit die Angst, diskriminiert zu werden: Sie wuchs zu einer nicht mehr zu übersehenden Gruppe heran. Sie waren nicht mehr zu überhören, weder in Pola und in Fasana, noch in Dignano, Gallesana und Sissano. Italienischer wurden auch Fiume, Rovigno, Buie, Umago, Verteneglio, Salvore, Capodistria.
Zweisprachige Istrier entdeckten ihre italienischen Wurzeln, kroatische Istrier bekannten sich zur multinationalen Tradition Istriens. Die Istrier, auch die Kroaten, aber besonders die starke serbische Minderheit, wählten dann auch nicht die nationalkroatische Partei HDZ des ehemaligen Tito-Generals Franjo Tudjman. Die gewendete kommunistische Partei, jetzt die Partei der demokratischen Veränderungen, wurde in Istrien zur stärksten politischen Kraft.
Nicht der kommunistischen Vergangenheit aber trauerten die Istrier nach – sie wollten die Mehrsprachigkeit ihrer Region. Die „rote" Wahl für die KP war somit auch eine Wahl für die Andersartigkeit, begründeten die Wortführer der italienischen Minderheit ihre Entscheidung. Italienische Istrier in den Reihen der mehrsprachigen Ex-KP wurden in mehrheitlich von Kroaten bewohnten Zentren zu Bürgermeistern gewählt, in Albona wurde die italienisch-kroatisch-slowenische demokratische Versammlung Istriens, die „dieta democratica istriana", zur absolut stärksten Partei.
Die dieta stellte sich im Februar 1990 mit einem übernational ausgerichteten Programm vor. Sie hatte ein Vorbild: Bereits 1861 bis zum Ersten Weltkrieg saßen in der dieta provinciale, der Landtagsversammlung, die die Schaffung einer Vielvölkerregion zum Ziel hatte, Abgeordnete der drei Nationalitäten Istriens.
Eine Vision, die auch die neue dieta begeistert. Trotz der Aufteilung des alten Istriens – Triest und ein Winzig-Hinterland wurden italienisch, Capodistria/Koper slowenisch und der große Rest Istriens kroatisch – sind die Gemeinsamkeiten immer noch groß. Warum soll diese Region nicht wieder zusammenwachsen? Trotz Staatsgrenzen und 70 Jahren nationalistischer Flurbereinigung, wagt Loredana Bogliun zu träumen. Bogliun, italienische Istrierin, verheiratet mit dem Kroaten Dino Debeljuh, war bei der Gründung der dieta mit dabei.
Die dieta legt ihren politischen Schwerpunkt auf die regionale Selbstverwaltung, und zwar über die derzeitigen Grenzen hinweg. Italien, Slowenien und Kroatien sollen die grenzüberschreitende istrische Selbstverwaltung in zwischenstaatlichen Abkommen absichern. Eine europäische Region, unabhängig von Staaten, ist das Ziel der dieta. Konsequent wirbt die istrische Versammlung in der eigenen italienisch-slowenisch-kroatischen Zeitung istranova für eine neue Zukunft, abseits von Nationalismus und Eigenstaatlichkeit.
1.000 lange Jahre haben Italiener, Slowenen und Kroaten in Istrien friedlich zusammengelebt, begründet die dieta ihr politisches Ziel. Trotz aller wirtschaftlichen Ungleichheiten gab es ein istrisches Gleichgewicht, ein friedliches Zusammenleben der drei Nationalitäten. Hier soll angeknüpft werden. Istrien, eine dreisprachige autonome Region im neuen Europa und Brücke zwischen Slowenien, Kroatien und Italien.
Die kroatische Reaktion darauf ist entsprechend scharf: Taljanasci, italianacci, titelte die kroatische Zeitung „slobodni tjednik". Taljanasci ist ein Schimpfwort aus der Nachkriegszeit. Die Zeitung „Glas Istre" in Pola stellt klar: „Istrien war schon immer kroatisch und wird es auch bleiben." Die slowenische Zeitung „Delo" wirft den Istriern eine pro-serbische Haltung vor. Die Autonomieforderung der Istrier ist für „Delo" ein Anschlag auf die Unabhängigkeit und staatliche Einheit Sloweniens und Kroatiens. Die Istrier wehren sich gegen solche Vorwürfe. „Wir verlangen nur ein kroatisch-slowenisch-italienisches Abkommen zum Schutz der Istrier in Slowenien und Kroatien," beteuert Maurizio Tremul von der „Unione degli Italiani dell' Iistria e di Fiume".
Aus: pogrom
– zeitschrift für bedrohte völker (Nr. 164/1992)
È rimasto chiuso in cantina per dieci anni, il grande armadio in noce della famiglia Negri. „È tutta la vita di mio marito..." sussurra la signora Wally. Dentro, impolverate, ci sono migliaia di schede anagrafiche, pacchi di corrispondenza, documenti dei Ministeri degli Interni e degli Esteri, della Repubblica Popolare Jugoslava, del Commissariato del governo di Bolzano. Tutto in ordine alfabetico, scritto nella calligrafia nitida del buon funzionario Alfredo Negri, classe 1904, per vent’anni dirigente dell’ufficio anagrafe del comune di Bolzano – lo stesso lavoro che aveva fatto a Fiume (Rijeka) ai tempi dell’annessione italiana.
Era questa dell’armadio, però, l’anagrafe che più amava Alfredo Negri: quella dei profughi scappati dall’Istria, da Fiume e dalla Dalmazia tra il 1945 ed il 1947 e poi rifugiatisi qui, a Bolzano a cercare un'altra vita. Un'anagrafe che Negri compilava nel tempo libero in qualità di responsabile a Bolzano della „Associazione Venezia Giulia e Dalmazia‘. Quanti erano? Lo schedario contiene solo i profughi censiti dopo il 1945. Un appunto del 1950 indica 472 capifamiglia più 1150 familiari in tutta la provincia. In realtà il mondo degli esuli doveva arrivare in Sudtirolo quasi a tremila persone. Tra questi, c’era anche Giuseppe Salghetti Drioli, padre di Giovanni. l’attuale candidato a sindaco di Bolzano. Discendente di una delle più antiche famiglie di Zara (Zadar), papà Salghetti fu chiamato al Ministero delle finanze di Roma e lì fu raggiunto nel 1943 dal resto della famiglia, fuggita dai bombardamenti.
Tra la fine della guerra ed il 1955 il capo del governo, il democristiano Alcide De Gasperi, fece di tutto per attirare in Sudtirolo i profughi istriani e dalmati dando disposizione agli uffici del Ministero degli Interni di proporre loro Bolzano come prima meta. Su questa gente De Gasperi aveva un piano tutto suo – lo aveva in mente già durante le trattative di pace, quando respinse la proposta degli alleati di tenere un referendum in Istria e Dalmazia, rispondendo che altrimenti si sarebbe dovuto concedere l’autodeterminazione anche ai sudtirolesi.
Nella mente di De Gasperi dunque, il destino del Sudtirolo e quello dei profughi si intrecciavano per molte ragioni. I profughi avevano vissuto a lungo in un clima asburgico e mitteleuropeo, erano plurilingui (italiano, tedesco, croato e spesso francese) e tutto, qui da noi, ricordava la loro terra d'origine: il cibo, l'arredamento la convivenza con gente diversa. Ma erano anche persone fedelissime agli interessi nazionali dell'Italia, specialmente quelli arrivati in Istria e Dalmazia dopo il 1919, al seguito di Gabriele D’Annunzio. Quasi tutti, tra il 1943 ed il 1945, erano entrati volontari nell'esercito della Repubblica di Salò anche per difendere i propri beni.
Fedeli all’Italia e perfettamente bilingui: De Gasperi cercò di trasferirne in Sudtirolo quanti più poté, per l'„italianizzazione morbida" di questa terra. Non fu facile però convincere i profughi a restare quassù. Cercavano una nuova Heimat, erano abituati ad un’atmosfera laica, aperta, cordiale, mitteleuropea e molti di loro non riuscirono a sopportare il clima ostile che li accolse in Sudtirolo. Specialmente i più poveri, come quel gruppo di minatori istriani che, non trovando un nuovo lavoro, chiesero al viceprefetto di „poter presto emigrare in Australia". Restarono invece i benestanti e i piccoli borghesi: diplomati e laureati, insegnanti, pubblici impiegati, avvocati, notai, medici. Il governo riconobbe i loro precedenti impieghi e dispose la loro „riassunzione obbligatoria" negli uffici pubblici del Sudtirolo.
A Bolzano i profughi venivano ospitati in strutture militari: la caserma Guella di Laives, una baracca militare ai Piani di Bolzano, un deposito dell'aeronautica a Salorno. Poi di loro si occupava il viceprefetto (la carica che allora equivaleva all’attuale Commissario del governo). E come viceprefetto De Gasperi spedì a Bolzano, tra il 1947 ed il 1953, proprio un esule di Fiume, Oscar Benussi, padre di Ruggero, l’attuale consigliere provinciale di Alleanza Nazionale. Fu lui l’uomo chiave, in quegli anni in cui l’autonomia ancora non esisteva e il viceprefetto aveva pieni poteri.
Laureato in legge a Budapest, Oscar Benussi era stato viceprefetto a Spalato (Split) dal 1941 al 1943 e poi fino al 1945 prefetto della Repubblica di Salò a Treviso. Subito dopo la guerra fu tra i fascisti „epurati", sospeso dal servizio e privato di stipendio e diritto di voto, finché nel 1947 lo Stato italiano gli riconobbe di aver agito „per la difesa degli interessi nazionali". Fu riabilitato e subito dopo De Gasperi lo mandò a Bolzano.
Qui anche Oscar Benussi si ricostruì una vita, mostrandosi uomo moderato: da giovane era stato membro della „Giovane Fiume", che chiedeva lo status di „città libera e porto franco" (contro il partito degli „annessionisti" dannunziani) e dunque non ebbe difficoltà a capire le istanze dei sudtirolesi.
Frequentava le case dei Magnago e dei von Walther. Ma l’insediamento dei profughi, quello lo gestì come una sacra missione. E con successo, visto che numerosi posti di vitale importanza furono occupati dai suoi profughi. Vittorio Karpati, vicequestore di Fiume fino al 1945, divenne vicequestore di Bolzano. Il giudice Radnich, di Pola (Pula), presidente del Tribunale. L’avvocato De Vernier, di Pola, segretario provinciale della Croce Rossa. Il medico fiumano Leone Spetz Quarnari direttore dell’ospedale di Bolzano.
Il funzionario di Zara Ercole Scopigno fu direttore degli uffici finanziari; Ladislao De Laszloczky, funzionario della Banca d’Italia a Fiume, diventò direttore della Cassa di Risparmio; il fiumano Rodolfo Sperber fu nominato direttore dell'azienda provinciale dei trasporti, che allora si chiamava S.A.S.A., e presidente del Coni (il comitato olimpico); Eligio Serdoz, di Fiume, capo dei boy scouts: il fiumano Giulio Karpati colonnello degli alpini di Bressanone; il medico Emilio Della Rovere, di Abbazia (Opatija), direttore generale della Cassa Malati; Onofrio Pardi, di Fiume, ingegnere responsabile del dipartimento Verona-Brennero delle ferrovie.
A loro volta, ciascuna di queste persone inserì quanti più profughi poteva negli uffici che dirigeva. Il fiumano Sperber riempì la S.A.S.A. di autisti e meccanici istriani. Sotto il direttore Spetz Quarnari l’ospedale e le strutture sanitarie si affollarono di medici dalmati, dentisti fiumani, farmacisti di Pola. Pattuglie di profughi entrarono all’Inps, nelle banche, nelle assicurazioni. Arrivarono in massa notai e avvocati (tra cui il cancelliere giudiziario Giovanni Dragogna da Pola, padre di Sergio Dragogna, noto avvocato liberale di Bolzano ora in Forza Italia), carabinieri ed ufficiali, barbieri, fotografi, sarti, albergatori e portieri di notte, commessi viaggiatori e tanti maestri e maestre, professori e professoresse (e qualche preside, come Tullio Walluschnig alle medie di Merano).
C’erano poi le industrie, e a questo pensava Ruggero Benussi, figlio di Oscar. Nell’esercito di Salò, Ruggero aveva comandato una speciale squadra di parà dalmati alle dipendenze dirette della Wehrmacht ed era sfuggito per poco alla fucilazione da parte dei partigiani. A Trieste aveva lavorato per gli angloamericani e lì era stato notato da Vincenzo Ventafridda, direttore delle Acciaierie di Bolzano, che lo aveva fatto suo segretario particolare. Da quel posto di comando nella zona industriale, Ruggero Benussi aprì le porte della Lancia, della Montecatini e delle Acciaierie ai profughi dalmati e istriani.
Il dalmata Ervino Katalinich, operaio alla Montecatini, fondò la „Bolzano nuoto" e creò con i profughi istriani la squadra cittadina di pallanuoto – il Lido di Bolzano diventò un punto fisso di ritrovo. L’avvocato Antonio Vio, primo podestà della „Fiume italiana" dopo l’annessione del 1924, venne a Bolzano trasferendoci anche altre sue attività – in Istria era conosciuto come uno degli esponenti di spicco della massoneria. A Merano si trasferì anche il deputato istriano Ossianich, che nel parlamento di Budapest aveva proclamato „l’italianità di Fiume" nel 1918.
Funzioni religiose e funerali erano celebrati da don Felice Odorizzi, che era fuggito da Pola con l’ultima nave degli esuli, il „Toscana", su cui erano state caricate pure le tombe dei propri antenati (e i vecchi raccontavano che gli uccelli che avevano il nido nel cimitero si erano alzati in volo e avevano seguito la nave, fino a perdersi nel mare). Per farsi i capelli c’era un barbiere di Spalato, che aveva il negozio in cima a via Dalmazia (!).
I profughi facevano capo alla „Associazione Nazionale Venezia Giulia e Dalmazia" che aveva la sede in piazza della Mostra al numero 8 e stava aperta dal martedì al sabato. L’associazione curava le pratiche di riconoscimento dello status di profugo (che dava diritto alla precedenza nelle assunzioni e a una quota degli alloggi popolari). Promuoveva la costituzione di cooperative per la costruzione di case (furono realizzzati più di 60 appartamenti, tra cui gli ultimi palazzi di Corso Libertà prima di piazza Gries).
I profughi istriani e dalmati – questo in Sudtirolo non lo sa quasi nessuno – furono degli optanti – come i sudtirolesi, ma assai più sfortunati. Sono fuggiti in 350 mila, dopo aver avuto sedicimila morti (reazione anche ai crimini commessi laggiù dal regime fascista, che solo nei 29 mesi di occupazione della Slovenia uccise ventimila persone).
Come ai sudtirolesi nel 1939, nel 1947 agli italiani rimasti dentro il confine jugoslavo fu proposta l’"opzione" tra la cittadinanza slava e quella italiana. Chi si dichiarava italiano (e furono i più) veniva immediatamente espulso dal paese – con un decreto che finiva con „Morte al fascismo, libertà al popolo!". I „rimpatriati" potevano portare via solo qualche valigia, mentre sul resto dei loro beni tra Roma e Belgrado si stava tessendo uno sporco affare. Dopo la guerra infatti l’Italia doveva alla Jugoslavia 200 milioni di dollari in danni di guerra. De Gasperi propose allora che la Jugoslavia si ripagasse coi beni dei „rimpatriati" – ci avrebbe pensato poi il governo italiano a rimborsare i profughi. Ma le cose non andarono affatto così.
Non accadde subito, accadde dopo il 18 aprile 1948, dopo che De Gasperi ebbe vinto le elezioni – e le vinse anche grazie ai racconti che i profughi facevano in giro per l’Italia sulla „barbaria comunista". Fu dopo le elezioni che si cominciò a parlare dei rimborsi. Ma per averli il governo italiano scoprì d’un tratto che occorreva ad ogni esule un attestato jugoslavo di confisca dei beni: chi poteva averci pensato, nei giorni drammatici dell’esodo?
La delusione fu enorme: loro, che erano fuggiti per poter restare italiani, venivano ora traditi dalla loro stessa patria. Cominciarono a chiedere disperatamente documenti a consolati e ambasciate, mostrarono foto di cimiteri con le tombe di famiglia, tentarono cause in tribunale. Il poco che fu riconosciuto arrivò dopo molti anni, e a rate.
In questo clima, a metà degli anni ‘60, si fece vivo anche l’esercito: qualcuno al Ministero si era ricordato delle famiglie di esuli ospitate nella caserma di Laives tra il ‘48 ed il ‘54. E ora, dieci anni dopo, chiedeva gli arretrati dell’affitto. L’ultima beffa.
Aus: FF
– Südtiroler Illustrierte (19/95) von Riccardo Della Sbarba
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