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Nr.0101

An Frau Perroud

Lyon, 28. Jänner 1848.

Gnädige Frau!

Verzeihen Sie meine verspätete Beantwortung Ihres Briefes, den ich mit so großer Freude erhalten habe. Ich wollte auf einen ganz freien Augenblick warten, um Ihnen mit ausgeruhtem Kopf zu schreiben; somit ist bereits der 28. Jänner da.-

Wenn es für die Neujahrswünsche zu spät ist, wünsche ich Ihnen wenigstens alles Gute zu Ihrem Namenstag; der hl. Franz v.Sales, dieser gute Heilige, dessen Namen Sie tragen und dessen Geist Sie nachahmen wollen; dieser Geist ist so milde, so ausgeglichen und so zart in der Liebe. O ich bitte diesen Heiligen innig, er möge Sie stets gütig werden lassen, so gütig wie er, wie die gütige und zärtliche Maria, wie Jesus. Ich merke, daß Sie Unser Herr sehr liebt und daß Ihr Haus von Nazaret eine Wonne für ihn bedeutet. Betrachten Sie sich, als stünden Sie in seinem Dienst, dann wird Ihnen dieser Gedanken Vertrauen und Mut geben. Lassen Sie mich Ihnen meinen kindlichen Gedanken aussprechen, aber als Gegengeschenk sagen Sie mir auf kindliche Art Ihre Meinung, und zwar hinsichtlich des Dritten Ordens.

Als ich mir einmal über den Zweck des Drittordens Gedanken machte, nämlich über die Heiligung, isoliert von den anderen Mitgliedern, und untereinander nur verbunden durch geistliche Bande, die gewiß kostbar, aber unvollständig sind, bei dieser Überlegung sah ich, daß dieser Zweck zu begrenzt ist und vor allem zu viel abhängig vom Zentrum des Dritten Ordens, d.h. von den Versammlungen und Konferenzen; ich meine, es brauche etwas Absoluteres und für alle Tage Gültiges; zudem macht der Drittorden ein Mitglied eigentlich zur Ordensperson; daher braucht es ein wirksameres Mittel ...folgendes ist nun meine Antwort.

Der Drittorden muß dem Lauf der Kirche folgen. In der Kirche gibt es gewöhnliche Christen, andere haben eine tiefere Frömmigkeit und schließlich gibt es darin die Vollkommenen: dies sind die Ordensleute, welche einer vollkommenen Regel unterworfen sind.

Im III. Orden können wir haben: die gewöhnlichen Tertiaren und die regulären Tertiaren; die letztgenannten sollen unter einer ihrer Berufung entsprechenden Regel leben und sogut wie möglich mit der Ordensvollkommenheit in Beziehung stehen. Diesen Gedanken habe ich lange vor Gott hin- und herüberlegt; schließlich habe ich mich ans Werk gemacht. Ich habe eine kleine Regel für eine Tertiarengemeinschaft geschrieben. Jedes Mitglied hat darin seine Aufgaben usw...unter dem Gehorsam der Regel. Ich sage unter dem Gehorsam der Regel und nicht der Personen, um mögliche Fälle von Willkür zu vermeiden. Der Versuch dafür wurde in einem eigenen Haus gemacht, das wahrlich ein Nazaret-Haus ist. Wenn Ihnen der Herr diesen Gnadenzug schenkte, er bietet ihn Ihnen an, aber zuvor bräuchte ich einige Familienerfahrungen. Wie die Pflichten des Gatten und der Gattin, des Vaters und der Mutter untereinander abgestimmt werden sollen.

Den Vater als Oberhaupt, als Superior des Tertiarenhauses einzusetzen, das wäre passend; aber daraus kann eine große Abhängigkeit für die Mutter entstehen; die Mutter als Oberin einzusetzen halte ich für unzulänglich: wie denken Sie darüber?

Ich werde stets die Rechte des einzelnen respektieren und möchte den wichtigsten Grundsatz des Gehorsams eher in den geregelten Pflichten als in den Personen sehen; somit braucht es ein Familienoberhaupt; dies wäre der Vater, aber ich würde für das Innere des Hauses zur Durchführung der internen Regel die Mutter als Oberin einsetzen. Auch über diesen Punkt möchte ich Ihre Meinung hören und daß Sie dafür beten.

Nun aber komme ich zu Ihrem lb. Brief.

1. Über die Abtötung. -

Es braucht eine innere und eine äußere Abtötung, denn sie ist das Salz der Selbsterhaltung. Die innere Abtötung besteht im Verzicht auf seinen ichbezogenen Willen; die äußere Abtötung besteht in der Wachsamkeit über den Charakter und die Sinne; dieses wiederum ist wie die Nahrung für die innere Sammlung; aber es bedarf einer ungezwungenen, leichten Wachsamkeit, die süß wie die Liebe und nicht sauer und grimmig wie die gedemütigte Eigenliebe ist. Der Entschluß zur Abtötung soll sich auf Einzelakte und nicht auf Tage und Monate erstrecken, weil die Sinne nicht deren Sinnhaftigkeit erfassen. Sie sind wie ein Kind, das ein Tag alt ist. An Fasttagen würde ein Kreuzweg etwas Gutes bewirken.

2. Meine teure Schwester, tränken Sie Ihre Seele ganz in der Liebe Jesu. Wenn man viel schuldet, liebt man viel, und Jesus erläßt alles; und diese Liebe ist die Barmherzigkeit gegen den Nächsten: nachlassende Barmherzigkeit zu den Fremden, Mitleid eines Arztes mit seinen Patienten.

3. Sie machen es richtig, wenn Sie während der Mitfeier der hl. Messe ihre Gebete für die Kirche aufopfern; und wenn Sie zur hl. Messe gehen, gewinnen Sie einen weiteren Augenblick bei Unserem Herrn in seiner übergroßen eucharistischen Liebe.

4. Wenn Sie den Geist des hl. Franz v.Sales hätten, könnten Sie ihn nutzenbringend nochmals lesen. Rodriguez über die Wertschätzung der Vollkommenheit, 1. Band, dann über die alltäglichen Handlungen, sie wäre noch besser; aber wechseln Sie ab.

5. Ach, fast würde ich mit Ihnen schimpfen, weil Sie Ihren kleinen monatlichen Einkehrtag ausgelassen haben! Also denn, Sie werden ihn am ersten freien Tag nachholen.

Diese Woche habe ich Nachrichten über Frau G. erhalten. Es geht ihr gut, aber ihr Gatte ist krank; sie scheint rund um ihren kranken Herrn Gemahl, der nicht den Appetit verloren hat, sehr in Anspruch genommen zu werden. Diese gute Dame weiß nicht, daß ihre Mutter bedenklich krank ist. Am Dienstag und Mittwoch ließ ich von allen Schwestern eine Novene für ihre Mutter beginnen. Ach, wenn daraus der Glaube und die Rückkehr zu Gott als Frucht erfolgen würden, wie wäre ich glücklich! Auch ich beteilige mich an der Novene. Ihr Herz sagt im vorhinein dazu ja.

Frau Aline geht es, wie mir berichtet wird, seit zwei Tagen besser. Ich war am Sonntag bei ihr. Arme Mutter! Ihre Kinder brauchen sie noch sehr ... dies ist ein Fall für ein Wunder.

Ich bin überrascht, liebe Schwester, daß mein Schreiben so lange geworden ist (entgegen meiner Gewohnheit); aber ich komme mir vor, als wäre ich in Bramefaim, und dort vergißt man Stunde und Zeit.

Meine hochachtungsvollen und herzlichen Grüße an den lb. Herrn Perroud. Wenn er kommen sollte, werden wir ihn am 1. Samstag im Februar empfangen.

In J. und M. verbleibe ich Ihr ergebenster

Eymard.

P.S. Dem Abbé geht es gut.

An Frau Perroud

in Bramefaim in Pomiers

über Villefranche

Rhône.


Nr.0102

An Frl. Stephanie Gourd

Lyon, 29. Januar 1848.

Gnädiges Fräulein!

Ich möchte Ihnen danken für Ihre zwei Briefe. Der erste hat mich getröstet, der zweite hat mich sehr betrübt. Schreiben Sie mir. Geben Sie mir Nachricht über Ihre lb. Mutter, die ich wie meine eigene schätze.

Ich hoffe, daß der lb. Jesus die Gebete erhören wird, welche wir für ihre Gesundheit verrichten.

Ich lege dieses Anliegen in die Novene, die wir für Ihre gute Mutter und Ihren Vater halten.

Ich komme zurück auf Ihren ersten Brief. Ich danke Unserem Herrn sehr, daß er sich würdigt, Sie als Kind seiner Liebe zu behandeln; nicht, indem er Ihnen Zärtlichkeiten und Tröstungen, sondern Übungen der Großzügigkeit zukommen läßt und somit Gelegenheiten zum Kampf gegen die arme Natur. So seien Sie treu, meine Tochter, und halten Sie an Ihren Übungen fest. Wenn der Körper eine guteingestellte Lebensweise befolgt, fühlt er sich wohl. Das gleiche gilt für die Seele. Die Treue ist der Beweis für die Liebe zu Gott. Daher trage ich Ihnen auf, es gut zu lernen, jede Tätigkeit entsprechend ihrer je eigenen Vollkommenheit auszuführen, und zu diesem Zweck die besonderen Mittel aller Dinge ausfindig zu machen; somit sollen Sie von Zeit zu Zeit Ihre Betrachtung, Ihre Gewissenserforschung und Ihre geistliche Lesung über die Betrachtung, über die Rückschau (EXAMEN, zweimal in dieser Aufzählung!! A.d.Ü.), die Messe, die Kommunion, die Reinheit der Absicht usw. ... zu halten, aus dem ganz einfachen Grund, weil man damit beginnen muß, daß man aus den gegebenen Dingen, die die tägliche Nahrung für das geistliche Leben sind, den größtmöglichen Gewinn erzielt.

Sodann gehen Sie, meine Tochter, stets ganz einfach mit viel Hingabe wie ein ganz kleines Mädchen zum lb. Gott.

Lernen Sie bei Ihren Betrachtungen mit Jesus und Maria Zwiesprache zu halten, so als ob Sie vertraulich mit Ihrer guten Mutter reden würden. Lernen Sie es, Unseren Herrn über Ihre Seele und Ihr Leben bis ins einzelne Rechenschaft zu geben.

Verstehen Sie es, dem lb. Gott alles zu erzählen, was Sie denken, was Sie ersehnen oder was Sie bedrückt. Oh, wie ist man dann glücklich, sobald man diese innere Zwiesprache mit Unserem Herrn entdeckt hat! Man trägt seinen Schatz überall mit sich. Er ist das Zentrum unseres Herzens und unseres Lebens. Aber ohne Jesus gibt es kein Glück auf Erden, kein anderes Mittel als leben mit Jesus, mit dem Bräutigam, dem Vater; das ist das Leben unserer Seele!

Ich danke Ihnen sehr, meine arme Tochter, daß Sie für mich beten; das ist echte Nächstenliebe. Ich bin sehr arm.

Ja, in Nizza erschreckt man Sie wegen der Republikaner Frankreichs, wegen der Pläne der Radikalen; halten Sie nichts davon, denn Frankreich ist sehr ruhig. Zudem wacht Maria über Frankreich, und der hl. Michael ist dessen Schutzengel.

Hier lacht man über die Furchtphantome, die einem Schrecken einjagen wollen.

Meine Tochter, ich verbleibe im Herrn

Ihr ergebenster

Eymard.


Nr.0103

An Frl. Stephanie Gourd

3. Februar (1848).

Meine arme Tochter, ich habe heute früh Ihren traurigen Brief erhalten. Ich möchte Ihnen herzlich zu Ihrem Schmerz und Ihrer Traurigkeit mein Mitgefühl ausdrücken.

Auch ich bin sehr traurig und ich kann mich nicht zurückhalten, Ihre gute Mutter zu beweinen; es scheint mir, daß sie eine Mutter ist, die auch ich verliere...

Meine Seele ist nicht mehr hier, sie steht neben ihrem Bett mit Ihnen. Ach, in der Tat: man ist versucht, dem lb. Gott zu sagen, uns Ihre gute Mutter noch einige Zeit zu lassen. Und dafür lasse ich beten, soviel ich nur kann, und bete auch selber ohne Unterlaß.

Unsere vereinigten Gebete haben Ihre gute Mutter gerettet; so ist sie nun geheilt.

Oh! Wird Maria, unsere zarte Mutter, unsere Gebete nicht wieder erhören? Ich weiß wohl, daß Ihre Mutter in den Himmel käme; und der Himmel mag sie, denn sie ist so gut! O meine arme Tochter, schätzen Sie sich glücklich, eine solche Mutter zu besitzen! Seien Sie in doppelter Hinsicht ihre Tochter. Sie haben das Glück gehabt, sie in Ihrer Nähe zu haben, ihren Geist der Nächstenliebe, der Entsagung, der Großzügigkeit und der Einförmigkeit mit dem Willen Gottes in allem. Sie haben eine Heilige vor Ihren Augen. Aber warum soll ich Ihnen von dieser Mutter reden, als ob Sie sie verlieren würden? Vielleicht handelt es sich nur um eine Krankheit von einigen Tagen! Will's Gott!

Es ist Nächstenliebe, mir ihre Nachricht zu schreiben; und ich sage mit Ihnen: O mein Gott, gib uns die Gnade, uns deinem heiligen Willen zu unterwerfen!

Machen Sie Gott ein Gelübde zu Ehren des hl. Josef für die Genesung Ihrer Mutter. Zum Beispiel während 6 Monaten seine Litanei zu beten, jede Woche den Armen ein Almosen zu spenden, eine Kommunion pro Monat für die Armen Seelen zu empfangen (oder etwas anderes).

Gerade in diesem Augenblick höre ich, daß Frau Nicod im Sterben liegt und die Nacht nicht überleben wird. Sie stirbt als Heilige, ruhig und gelassen. Ach, ihr Kalvarienberg hat lange gedauert! Ihre schöne Seele wird in den Himmel fliegen, für den sie gelebt hat.

Schonen Sie sich ein wenig, meine Tochter! Und wenn Sie es für angebracht halten, sagen Sie Ihrer Mutter, wieviel man hier betet. Ich habe vor acht Tagen geschrieben, holen Sie den Brief ab, Sie können alles lesen.

Ich verbleibe im Herrn

Ihr ergebenster

Eymard.


Nr.0104

An Bischof Luquet

Saint-Etienne, 20. Februar 1848.

Exzellenz!

Eben habe ich Msgr. D'Amata hierher begleitet; er fährt nach Clermont, um dort Abschied zu nehmen; er reist am 20. März von Toulon mit der Staats-Korvette Egérie zusammen mit 13 Missionaren ab.

Ich habe für Eure Exzellenz weder Briefe noch Pakete erhalten; wenn solche eintreffen, werde ich sie Ihnen, wie vereinbart, zukommen lassen.

Ich hatte am Samstag eine lange Unterredung mit einem Mann, der früher in der Schweiz einen hohen Rang eingenommen hat; hier folgt die Quintessenz unseres Gesprächs.

In der Schweiz soll man sich ausschließlich in katholisches Gebiet begeben; hinsichtlich der Frage der katholischen Freiheit gilt im allgemeinen, ohne auf Sonderfälle einzugehen, folgendes: kein Nachgeben im Grundsätzlichen, denn ein Kompromiß würde zu weiteren Kompromissen führen, niemand kann es unternehmen, eine Frage der katholischen Freiheit einzuschränken; hinsichtlich des Problems von Ordensgemeinschaften möchte er die eine oder andere haben, er betrachtet dies aber als eine Frage der Schlußfolgerung, welche mit Klugheit gelöst werden soll (für die Jesuiten ist der Boden zu heiß.)

Dieser hervorragende Staatsbeamte, der freilich protestantisch ist, hat mir einige Namen genannt, bei denen man sich beraten kann. Ich füge sie in meinem Brief an.

Der Wagen fährt ab.

In tiefster Ehrfurcht

Eymard.

P. S. Der Ratgeber möchte konkrete Fragen hören, er kann behilflich sein. Bei seiner Abreise hat mich Pater Colin beauftragt, Ihnen seine ununtertänige Huldigung auszusprechen und Ihnen zu sagen, daß er gegen Eure Exzellenz aufgebracht wäre, wenn Sie in Lyon nicht haltmachten.

Die Mitglieder der P.P.( de la PP.??/ der Postbehörde?) haben mit Dankbarkeit die Mitteilung erhalten. Verzeihung für meinen Brief, ich trete eine 14tägige Reise an.


Nr.0105

An Marianne

Saint-Etienne, 28. Februar 1848.

Meine lieben Schwestern!

Ich schreibe Euch soeben zwei Zeilen, um Euch trotz allen Alarms zu beruhigen. Ich halte mich für einige Tage in Saint-Etienne zur Visitation unserer Häuser auf.

Meine Gesundheit ist in Ordnung; - die Stadt ist ruhig - und wir haben unsere Ruhe. Wir empfingen heute früh einen Brief von unserem Generalobern mit der Nachricht, daß es in Lyon ruhig ist und daß dort die gute Ordnung herrscht; dies wurde uns auch durch mehrere Personen bestätigt. Auch von Paris trafen Meldungen ein, alles ist nach soviel Unheil wieder zur Ruhe zurückgekehrt.

Setzen wir fest unser Vertrauen auf Gott allein; nur das wird über uns kommen, was seine göttliche Barmherzigkeit will. Es wird uns versichert, daß man sich weder mit der Religion noch mit den Priestern anlegen will.

Ich umarme Euch in Unserem Herrn, liebste Schwestern,

Euer Bruder

Eymard.

An Fräulein Marianne Eymard,

du Breuil-Straße, La Mure (Isère).


Nr.0106

An Marg. Guillot

März 1848.

Sie schelten mich und ich bin noch krank. Ich war es seit Freitag ziemlich arg; Gott sei dafür gepriesen! Ich werde mit den Kranken etwas nachsichtiger sein.

Es scheint also, daß Ihre Vernunft auch ein wenig krank ist. Ich habe mich getröstet mit dem Gedanken, Sie wären ruhig, liebevoll, demütig und ergeben in allen kleinen Prüfungen Gottes! Sind Sie etwa im Begriff, das Spielzeug all dieser kleinen Leidenschaften von Kindern zu werden? Aber doch! Nicht soviel Feinfühligkeit der Eigenliebe! Sie wissen sehr wohl, daß Sie in Ihren Augen und in den Augen der anderen die letzte sein müssen, wenn Sie für meinen gehegten Wunsch, Gott zu lieben, die Erste sind. Was können Ihnen die Ansichten der anderen antun, wenn Sie nur die meine oder vielmehr jene des Gehorsams haben? Oh! Sterben Sie also ein wenig ab, denn es gibt noch zuviel Eigenwillen in Ihnen.

Ich will Unseren Herrn bitten, daß Sie seine ganz kleine Tochter werden und daß er Ihnen vor allem diese kleinen Bosheiten wegnehme, die mich sehr bedrücken, weil sie nicht sehr rein sind.

Ich kann Sie erst Donnerstag aufsuchen, denn ich nehme die Besuche noch nicht an.

Ich hatte die Stimme verloren, aber wie Sie merken, ist die Feder meine Lanzette, fügen wir hinzu: die v ä t e r l i c h e Lanzette.

Fahren Sie fort mit Ihren Kommunionen.


Nr.0107

An Marianne

Lyon, 7. März 1848.

Meine guten Schwestern!

Ich habe Euern lb. Brief erhalten und drücke Euch aufrichtig meine Dankbarkeit dafür aus; und bei Bedarf weiß ich, daß Ihr beide stets für mich ein Mutterherz gehabt habt.

Nichts ist uns in Lyon passiert. Überall hat man die Religion und die Priester respektiert. Am darauf folgenden Sonntag wurden alle kirchlichen Feiern wie gewöhnlich abgehalten und man hat sogar mehr Kirchenbesucher gezählt.

Wahr ist, daß Arbeiterbanden alle Werkstätten in Brand gesteckt haben, die in den religiösen Gemeinschaften angetroffen wurden, aber den Klosterschwestern selber wurde nichts angetan. Das war eine alte Rache, weil sie glaubten, daß hier zu einem niedrigeren Marktpreis gearbeitet würde.

Das ist ein Verbrechen von ihrer Seite, denn sie verletzen alle Rechte, und die Autorität ergeift dagegen Maßnahmen.

Jeder hofft, daß unsere arme neue Republik nicht mehr so wie die erste sein wird; sie hat gut angefangen, denn die göttliche Vorsehung hat sich ordentlich eingemischt; das sieht jedermann ein.

Nun muß man fest beten, daß der lb. Gott das Ganze zum Guten lenke. Heute habe ich Nachrichten aus Paris erhalten: dort ist alles ruhig; man schreibt uns, daß man nie eine so höfliche und liebenswürdige Revolution gesehen hätte; man könnte sagen, es war eine Familie von Brüdern. In Paris weht nirgens eine rote Fahne, man hört auch nicht die Bezeichnungen "Bürger", "Bürgerinnen", welche unseren armen Leuten in der Provinz zu Herzen gehen; alles ist wieder zur Ordnung und zur gewöhnlichen Ausdrucksweise zurückgekehrt.

Jetzt kommt die Fastenzeit; paßt auf Euch auf, liebt und ehrt fleißig den lb. Gott. Laßt reden und tut Gutes; das soll Euer Leitspruch sein.

Ich umarme Euch in Jesus und Maria

Euer Bruder

Eymard.

P. S. Macht mir den Gefallen, bei Hochwürden Girolet nachfragen zu lassen, ob er die 6 Messen gefeiert hat, von denen ich mit ihm gesprochen habe, und sagt ihm einen schönen Gruß von mir, ebenso dem braven Herrn Pillon; ich werde ihm bald schreiben.

An Fräulein Eymard,

du Breuil-Straße, La Mure (Isère).


Nr.0108

An Frl. Ant. Bost

Lyon, 7. März 1848.

Gnädiges Fräulein!

Ich möchte Ihren Brief beantworten; er hat mich in Unserem Herrn gefreut, weil ich es gerne glaube, daß Sie eine Tochter nach dem Herzen Jesu und seiner heiligsten Mutter sind oder es doch eines Tages sein werden.

Ich habe Jesus und Maria gedankt, daß Sie beide durch solch liebevolle Fügung auserwählt worden sind, Tertiarschwestern zu werden. Was ist es doch Schönes, wenn die göttliche Liebe da und dort Seelen in diesem Tale der Verbannung inniger an sich zieht und zu ihnen spricht: Ihr sollt meine Familie, mein Zönakel, mein Nazareth sein - mitten in der Welt!

Es tut mir leid, gute Schwester, daß Sie so weit vom Zentrum entfernt sind; aber der anbetungswürdige und über alles liebenswürdige Wille Gottes will, daß Sie da seien, wo Sie sind; aber e i n und derselbe Geist soll uns alle verbinden, wo immer wir sein mögen, im Herzen Jesu - durch Maria.

Dieser Geist ist einfältig wie Maria, wie der Geist des Kindes im Evangelium; dieser Geist ist bescheiden, wie die Bescheidenheit Mariens, wie jene Bescheidenheit, welche die Ursache war, daß sie sich nach außen nicht von anderen unterschied, die sie bedeckte wie ein Mantel, so daß die Menschen, wenn sie Maria beten, arbeiten, auf dem Weg gehen sahen, nur von ihr sagten: Das ist eine einfache Frau von Nazareth.

Dieser Geist ist gefällig dem Nächsten gegenüber, unterwirft die äußeren Übungen der Frömmigkeit den Standespflichten und läßt die Tugend liebenswürdig und nicht streng erscheinen.

Wie war Maria, ihren eigenen Willen der Liebe zum Opfer bringend, so gütig gegen den Nächsten, so geduldig in den Prüfungen, so liebevoll und entgegenkommend im Hause zu Nazareth!

Der Geist des III. Ordens Mariens ist mehr innerlich als äußerlich; darum treibt er die Seele mehr zum innerlichen Gebet und zur Sammlung an; und wie es dem Feuer natürlich ist, zu brennen und Licht und Wärme zu verbreiten, so weiß die mit Unserem Herrn innig vereinte Seele recht gut, seinen Willen zu erkennen und zu erfüllen.

Werden Sie, meine Tochter, ein recht gutes Marienkind, eine würdige Nacheifererin Ihrer Schwestern, denn Sie haben davon nicht wenige, die unserem göttlichen Heiland sehr wohlgefällig sind.

Aber Sie fragen mich, wie Sie sich bessern und Ihre Eigenliebe, Ihre Launenhaftigkeit, Ihre Empflindlichkeiten gegen N.N. ablegen könnten? Ach, was kann ich Ihnen sagen, als daß Sie lernen müssen, sich zu ertragen, und arm und in Lumpen zu Unserem Herrn zu gehen und ihm zu sagen: Sieh', wie elend ich bin! Und du bist reich, und du bist mein Vater!...O wie liebt Jesus die Armen so sehr! Er will ihr König sein!

Und dann, wenn Sie diesen göttlichen König recht innig lieben, werden Sie allerdings Ihre Unvollkommenheiten und Sünden nicht lieben, wohl aber die daraus entspringenden Demütigungen - und so behandelt zu werden wie Arme!

Behalten Sie Ihre Korrespondenzen bei; Jesus sei die Seele Ihrer Briefe! - Gehen Sie stets zur hl. Kommunion wie ein Kind; das Vertrauen ermutige Sie; die Einfalt der Liebe sei Ihr Gebet und eine unermeßliche Liebenssehnsucht Ihre Vorbereitung!

Ich schließe ab und segne Sie. Und Sie beten für mich, damit Jesus in mir lebe.

In seiner vollendeten Liebe verbleibe ich

Ihr ergebenster

Eymard.

An Fräulein Antonia Bost

in Tarare (Rhône).


Nr.0109

An Frau Tholin

Lyon, 7. März 1848.

Gnädige Frau!

Ich komme von einer ziemlich langen Reise und meine erste Beschäftigung ist die Beantwortung Ihres sehr vertraulichen Briefes. Ich nehme es Herrn Cariet ein wenig übel, daß er Sie in solcher Weise zu meinen Gunsten beeinflußt hat. Ach, gnädige Frau, der lb. Gott demütigt mich sehr, daß er sich meiner zu einer Aufgabe bedient, die ihm ganz und gar zusteht, indem er seine bevorzugten Kinder mir anvertraut; und gern sage ich zum göttlichen Vater im Himmel, er wolle, wenn er die Kinder errettet, sich einstens auch des armen Knechtes erbarmen, der sie führt.

Nun denn, Sie wollen, daß ich Ihnen etwas sage. Vor allem freue ich mich, daß ich, kraft der geistigen Bande, die uns aneinander knüpfen, Anteil habe an Ihren Leiden und Verdiensten. - Die Natur bedauert allerdings die Leidenden und ich wünsche Ihnen eine bessere Gesundheit und bete darum. Aber die Gnade weiß das Leiden zu schätzen und die Liebe lehrt es uns lieben und wünschen, weil das innerste Wesen der Liebe in diesem Leben in Leiden und Opferbringen besteht. - O meine Schwester, ich weiß wohl, daß Sie ebenso darüber denken; im Himmel ist das Kreuz Jesu sein Zepter und der Thron seiner Herrlichkeit.

Aber für gewöhnlich scheint bei einem Zustand der Kränklichkeit auch die Seele in Mitleidenschaft gezogen. Beunruhigen Sie sich nicht darüber; das ist ein Kreuz und kein Zeichen, daß Gott Sie verlassen hat. All Ihre inneren Qualen und Trockenheiten sind daher auch eine Wirkung der unendlichen Güte Gottes; er will eben, daß Sie nur an ihn allein ihr Herz hängen, daß Sie ihn mehr lieben, als all seine tröstenden Gaben.

Das Beste für Sie wäre meines Erachtens, Ihren Ruhepunkt einzig und allein im Willen Gottes zu suchen, darin Ihr Leben, Ihre Freude und den Grund all Ihrer Hoffnung zu finden. O wie geht es der Seele so gut, die wacht oder schläft unter der Obhut dieser liebevollen Vorsehung!

Aber tun wir, nach dem Geist des hl. Franz von Sales, nichts mit Hartnäckigkeit oder Hast und Unruhe, sondern folgen wir stets der Anregung und dem Zug der Gnade in uns: das ist der Fingerzeig, nach dem sich alles richten muß. Nun denn, so sagen Sie mir, welch besonderen Zug Sie empfinden.

Ich empfehle mich Ihrem Gebet und bin in der Demut Unseres Herrn, gnädige Frau, Ihr

untertänigster Diener

Eymard, P.M.


Nr.0110

An Marg. Guillot

1. April 1848.

Ich danke Ihnen, meine arme Tochter, für soviel Anteilnahme. Was kann man schon machen? Wenn der gute Meister will, daß man zu Hause und ein wenig in seinem Bett bleibt, muß man es wohl tun; denn es gereicht uns zu unserem größeren Wohl; möge er dafür gepriesen sein!

Die Krankheit, an der ich seit acht Tagen leide, sind Schwindelanfälle, die mich packen und zu Fall bringen lassen; daher wage ich es nicht, mich aufs Spiel zu setzen.

Mein großes Übel ist, daß ich zu viele Ärzte habe; aber der große Arzt ist Unser Herr und Ihre Gebete. Erbitten Sie, daß ich das tue, was der lb. Gott will.

Was die Entlassung Ihrer Mädchen betrifft, lassen Sie ihnen die Freiheit, zu bleiben oder bis Ostern wegzugehen, damit Sie nicht diese Verantwortung auf sich nehmen müssen, für den Fall, daß sich etwas Peinliches ereignen sollte. In den Augen der Klugheit scheint es vernünftig, ihnen zu raten, in ihre Familien zurückzukehren; aber es wäre gut, wenn diese Einsicht aus ihnen selbst käme.

Das ist meine Ansicht. Ich teile Ihre Meinung, ein Mädchen zu behalten.

Möge der lb. Gott Sie alle segnen und Euch stets behüten. Seien Sie im Frieden, meine guten Töchter. Maria wird Sie recht beschützen und Sie mit ihrem Muttermantel bedecken, dafür stehe ich gerade.

Ihr ergebenster

Eymard.

An Fräulein Guillot Margarete.


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